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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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jedem Fall ist mit dir ein Teil von mir gestorben, dafür lebe ich mit einem Teil von dir weiter. Ob wir nun blutsverwandt sind oder nicht, ändert daran nichts. Dazu ist zu viel Zeit vergangen.«
    Er glaubte, vor dem Fenster den Ruf der Eule zu hören. Aber das war natürlich eine akustische Täuschung.

Kapitel 25
    Ushikawa
    Kalt oder nicht, Gott ist hier
    »So leicht stirbt es sich nicht«, sagte die Stimme eines Mannes hinter ihm. Als habe er Ushikawas Gedanken gelesen. »Du warst nur ohnmächtig. Aber viel hätte nicht gefehlt.«
    Ushikawa konnte sich nicht erinnern, die Stimme schon einmal gehört zu haben. Sie klang neutral und ausdruckslos. Weder zu hoch noch zu tief. Weder zu hart noch zu weich. Wie die einer Person, die Abflug und Ankunft von Flugzeugen oder die Börsenkurse ankündigt.
    Was ist heute für ein Wochentag?, überlegte Ushikawa unvermittelt. Montagabend? Nein, es muss schon Dienstag sein.
    »Ushikawa«, sagte der Mann. »Ich darf dich doch so nennen?«
    Ushikawa schwieg. Etwa zwanzig Sekunden lang herrschte Stille. Dann versetzte ihm der Mann ohne Vorwarnung einen kurzen Hieb in die linke Niere. Es war ein lautloser, aber gewaltiger Schlag. Ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr seinen ganzen Körper. Seine sämtlichen inneren Organe zogen sich zusammen, und bis die erste Welle des Schmerzes vorüber war, bekam er keine Luft. Endlich brachte er ein trockenes Keuchen zustande.
    »Dabei hatte ich so freundlich gefragt. Gib also gefälligst Antwort. Wenn dir das Sprechen noch schwerfällt, nickst du oder schüttelst den Kopf. Das reicht schon. So was nennt man Höflichkeit«, sagte der Mann. »Ich darf dich also Ushikawa nennen, ja?«
    Ushikawa nickte mehrmals.
    »Ushikawa. Ein Name, den man sich leicht merken kann. Ich habe ihn aus der Brieftasche in deiner Hose. Dein Führerschein und deine Visitenkarten waren da drin. ›Generaldirektor der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste ‹. Imposanter Titel. Aber was macht ein Generaldirektor der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste in einer Bruchbude wie dieser? Mit einer versteckten Kamera?«
    Ushikawa brachte noch immer keinen Ton heraus.
    »Du solltest lieber antworten«, sagte der Mann. »Das ist ein gutgemeinter Rat. Einmal die Niere gequetscht, und du hast dein Leben lang höllische Schmerzen.«
    »Ich observiere Leute, die hier wohnen«, stieß Ushikawa endlich mit brechender Stimme hervor, die ihm wegen seiner verbundenen Augen fremd erschien.
    »Es geht um Tengo Kawana, stimmt’s?«
    Ushikawa nickte.
    »Den Ghostwriter von Die Puppe aus Luft .«
    Ushikawa nickte wieder und bekam einen Hustenanfall. Der Mann wusste Bescheid.
    »Wer hat dich beauftragt?«
    »Die Vorreiter.«
    »So weit habe ich mir das auch schon gedacht, Ushikawa«, sagte der Mann. »Aber wieso müssen die auf einmal Tengo Kawana beobachten? So wichtig kann er für die doch gar nicht sein.«
    Ushikawa überlegte wie rasend. Wer war dieser Mann und wie viel wusste er? Ushikawa hatte keine Ahnung, aber zumindest schickten ihn sicher nicht die Vorreiter. Die große Frage war allerdings, ob das günstig oder ungünstig war.
    »Ich hab dich was gefragt«, sagte der Mann und bohrte mit dem Finger in Ushikawas linker Niere. Sehr heftig.
    »Es hat etwas mit einer Frau zu tun, die er kennt«, brachte Ushikawa stöhnend hervor.
    »Hat die Frau auch einen Namen?«
    »Aomame.«
    »Warum verfolgen die Vorreiter Aomame?«, fragte der Mann.
    »Weil sie dem Leader der Gruppe etwas angetan hat.«
    »Sie hat ihm etwas angetan?«, sagte der Mann forschend. »Heißt das, mit anderen Worten, sie hat ihn ermordet?«
    »Ja«, sagte Ushikawa. Vor diesem Mann kann man nichts verbergen, dachte er. Früher oder später bringt er mich sowieso zum Reden.
    »Aber die Öffentlichkeit weiß nichts davon.«
    »Es ist ein internes Geheimnis.«
    »Wie viele Leute in der Sekte wissen davon?«
    »Eine Handvoll.«
    »Und du gehörst dazu.«
    Ushikawa nickte.
    »Das heißt, du bekleidest einen hohen Posten in dem Laden.«
    »Nein«, sagte Ushikawa und schüttelte den Kopf. Bei der Bewegung schmerzte seine linke Niere. »Ich bin nur ein Laufbursche. Ich habe bloß zufällig davon erfahren.«
    »Warst zur falschen Zeit am falschen Ort, stimmt’s?«
    »So ungefähr.«
    »Sag mal, du arbeitest doch allein?«
    Ushikawa nickte.
    »Das finde ich aber seltsam. Normalerweise führt man eine Observierung im Team durch. Es müssen sich mindestens drei

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