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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Leute ablösen, um gründlich zu arbeiten. Und die Vorreiter operieren doch immer in festen Einheiten. Ein Alleingang wie deiner passt nicht ins Bild. Mit anderen Worten, deine Antwort gefällt mir nicht sonderlich.«
    »Ich bin kein Mitglied der Sekte«, sagte Ushikawa. Seine Atmung funktionierte wieder besser, und endlich konnte er einigermaßen normal sprechen. »Die Sekte beauftragt mich nur mit gewissen Dingen. Ich werde gerufen, wenn sie es für besser halten, einen Außenstehenden einzusetzen.«
    »Als Generaldirektor der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste ?«
    »Das ist nur Tarnung. Die Stiftung besteht nur auf dem Papier. Hauptsächlich wurde sie gegründet, um Steuern zu sparen. Ich bin nur freier Mitarbeiter und kümmere mich um die Geschäfte der Sekte.«
    »Du bist also eine Art Söldner.«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich sammle nur Informationen in ihrem Auftrag. Falls nötig, erledigt jemand aus der Sekte die Drecksarbeit.«
    »Die Vorreiter haben dich also beauftragt, Tengo Kawana zu beobachten und seine Verbindung zu Aomame aufzudecken?«
    »Ja.«
    »Du lügst«, sagte der Mann. »Das ist keine ehrliche Antwort. Wenn die wüssten, dass eine Beziehung zwischen Aomame und Tengo Kawana besteht, hätten sie dich nicht allein losgeschickt. Sie hätten ein Team aus ihren eigenen Reihen zusammengestellt. Das würde das Risiko einschränken, und sie könnten im Notfall sogar Gewalt anwenden.«
    »Aber ich sage die Wahrheit. Ich befolge lediglich meine Anweisungen. Warum sie mich das allein machen lassen, weiß ich auch nicht.« Ushikawas Stimme war noch immer hoch und instabil. Ab und zu krächzte er.
    Wenn er dahinterkommt, dass die Vorreiter noch nichts von der Verbindung zwischen Aomame und Tengo wissen, bin ich erledigt, dachte Ushikawa. Denn wenn ich nicht mehr da bin, wird nie jemand etwas davon erfahren.
    »Ich bin allergisch gegen falsche Antworten«, sagte der Mann in eisigem Ton. »Wie allergisch, das hast du ja schon am eigenen Leibe erfahren, Ushikawa. Ich könnte dir noch einmal kräftig in die Niere schlagen. Aber dabei verletze ich mir vielleicht die Hand. Außerdem liegt es nicht in meiner Absicht, deine Niere ernsthaft zu beschädigen. Ich hege keinen persönlichen Groll gegen dich. Ich habe nur ein Ziel: eine korrekte Antwort zu bekommen. Deshalb probieren wir jetzt einmal etwas Neues aus. Ich schicke dich auf den Meeresgrund.«
    Auf den Meeresgrund?, dachte Ushikawa. Was in aller Welt hat der Kerl mit mir vor?
    Offenbar zog der Mann jetzt etwas aus der Tasche. Ushikawa vernahm ein Knistern wie von Plastik. Etwas wurde ihm über den Kopf gezogen. Eine Plastiktüte. Eine dicke Plastiktüte zum Einfrieren von Lebensmitteln. Dann wurde ein breiter Gummiring um seinen Hals gelegt. Ushikawa begriff, dass der Mann sich anschickte, ihn zu ersticken. Als er nach Luft rang, füllte sich sein Mund mit Plastik. Auch seine Nasenlöcher waren blockiert. Seine Lungen lechzten nach Sauerstoff, aber es gab keinen. Das Plastik saugte sich an seinem ganzen Gesicht fest und formte eine Totenmaske. Kurz darauf begannen sich Ushikawas sämtliche Muskeln zu verkrampfen. Er wollte die Tüte mit den Händen herunterreißen, aber die konnte er natürlich nicht bewegen. Sein Gehirn schwoll an wie ein Ballon und drohte jeden Augenblick zu platzen. Ushikawa wollte schreien. Er brauchte Luft! Luft! Aber natürlich drang kein Laut aus seinem Mund, den die Zunge nun ganz ausfüllte. Ihm schwand das Bewusstsein.
    Endlich wurde der Gummiring entfernt und die Plastiktüte von seinem Kopf gezogen. Ushikawa sog verzweifelt Luft in seine Lungen. Zusammengekrümmt schnappte er mehrere Minuten lang immer wieder heftig nach Luft wie ein Tier nach etwas, das außerhalb seiner Reichweite liegt.
    »Und? Wie war es auf dem Meeresgrund?«, fragte der Mann und wartete darauf, dass Ushikawas Atmung sich normalisierte. Seine Stimme klang völlig ausdruckslos. »Du warst sehr tief unten. Bestimmt hast du einiges erlebt, das du bisher nicht kanntest. Eine wertvolle Erfahrung.«
    Ushikawa konnte nichts erwidern. Seine Stimme versagte ihm den Dienst.
    »Ich wiederhole mich, Ushikawa, aber ich will ehrliche Antworten. Also frage ich dich noch einmal: Hat die Sekte dich beauftragt, Tengo Kawana zu beschatten und seine Beziehung zu Aomame auszukundschaften? Das ist etwas sehr Entscheidendes. Ein Menschenleben hängt davon ab. Du musst gut überlegen und mir ehrlich antworten. Ich merke es, wenn du

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