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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Übungen und hob den Hörer ab, während sie sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht wischte.
    »Der Wasserkopf lebt nicht mehr in dieser Wohnung«, sagte Tamaru, wie üblich ohne jede Einleitung. Kein Hallo und nichts.
    »Nicht mehr?«
    »Er ist weg. Ich konnte ihn überzeugen.«
    »Du konntest ihn überzeugen«, wiederholte Aomame. Das hieß wahrscheinlich, dass Tamaru den Wasserkopf irgendwie gewaltsam entfernt hatte.
    »Und der Kawana, der in dem Haus wohnt, ist der, den du suchst.«
    Die Welt um Aomame herum dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen. Pulsierte wie ihr Herz.
    »Hörst du mir zu?«, fragte Tamaru.
    »Ich höre.«
    »Allerdings ist Tengo Kawana gerade für einige Tage verreist.«
    »Aber es ist ihm nichts passiert?«
    »Er ist nicht in Tokio, aber ich bin sicher, dass es ihm gut geht. Der Wasserkopf hatte eine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses gemietet, in dem Kawana wohnt. Er hat dort darauf gelauert, dass du kommst, um ihn zu sehen. Er hatte eine Kamera aufgestellt und heimlich den Eingang beobachtet.«
    »Hat er Fotos von mir gemacht?«
    »Ja, drei. Aber es war ja schon dunkel. Außerdem hast du deine Mütze tief ins Gesicht gezogen, trägst eine Sonnenbrille und noch einen Schal bis zur Nase. Deshalb kann man dein Gesicht kaum erkennen. Aber du bist es, unverwechselbar. Wärst du ein zweites Mal dort hingegangen, hättest du dir Ärger eingehandelt.«
    »Dann war es richtig, dass ich alles dir überlassen habe, oder?«
    »Sofern man in diesem Fall von ›richtig‹ sprechen kann.«
    »Jedenfalls brauche ich mir wegen ihm jetzt keine Sorgen mehr zu machen«, sagte Aomame.
    »Der Mann kann dir nichts mehr tun.«
    »Dank deiner Überredungskünste .«
    »Es lag eine Situation vor, die geklärt werden musste. Endgültig«, sagte Tamaru. »Ich habe alle Fotos an mich genommen. Der Wasserkopf hat nur auf dich gewartet, Tengo Kawana war dabei nicht mehr als ein lebendiger Köder für ihn. Daher sehe ich im Moment keinen Grund, aus dem sie sich an Tengo Kawana vergreifen sollten.«
    »Bin ich froh«, sagte Aomame.
    »Er unterrichtet Studienbewerber in Mathematik. Er scheint ein recht guter Lehrer zu sein. Trotzdem arbeitet er nur ein paar Tage in der Woche, also kann er keine großen Einkünfte haben. Er ist ledig und lebt recht bescheiden in diesem Mietshaus.«
    Wenn sie die Augen schloss, dröhnte ihr das Herz in den Ohren, und die Grenze zwischen ihr und der äußeren Welt verschwamm.
    »Neben der Schule schreibt er an einem längeren Roman. Der Auftrag als Ghostwriter von Die Puppe aus Luft war nur ein Gelegenheitsjob. Er hat eigene schriftstellerische Ambitionen. Das ist eine gute Sache. Gesunder Ehrgeiz fördert das innere Wachstum.«
    »Wie hast du das alles herausgefunden?«
    »Er war nicht zu Hause, also habe ich mir erlaubt, einen Blick in seine Wohnung zu werfen. Sie war zwar abgeschlossen, aber so was kann man ja kaum ein Schloss nennen. Leider musste ich seine Privatsphäre verletzen, aber es ließ sich nicht vermeiden, um einige grundlegende Dinge herauszufinden. Für die Wohnung eines alleinlebenden Mannes sah es sehr manierlich aus. Sogar der Gasherd war blitzblank. Das Innere des Kühlschranks war aufgeräumt und sauber. Keine angefaulten Kohlköpfe oder so. Einiges deutete auch darauf hin, dass er bügelt. Kein schlechter Lebensgefährte für dich. Falls er nicht schwul ist, natürlich.«
    »Hast du sonst noch etwas herausgefunden?«
    »Ich habe bei seiner Yobiko angerufen und mich nach seinem Stundenplan erkundigt. Laut der Dame am Telefon ist Tengo Kawanas Vater in der Nacht zum Sonntag in einem Krankenhaus irgendwo in Chiba verstorben. Herr Kawana sei wegen der Bestattung momentan nicht in Tokio. Deshalb sei auch der Unterricht am Montag ausgefallen. Wo und wann die Beisetzung war, wusste sie nicht. Jedenfalls hat er am Donnerstag seinen nächsten Unterricht, bis dahin müsste er also wieder hier sein.«
    Natürlich wusste Aomame noch, dass Tengos Vater Gebührenkassierer bei NHK gewesen war. Tengo hatte damals jeden Sonntag mit seinem Vater die Runde gemacht. Mehrmals waren sie sich in Ichikawa auf der Straße begegnet. An das Gesicht des Vaters konnte sie sich kaum erinnern. Er war ein magerer kleiner Mann in Uniform. Und Tengo hatte ihm überhaupt nicht ähnlich gesehen.
    »Könnte ich jetzt, wo der Wasserkopf nicht mehr da ist, nicht doch zu Tengo gehen?«
    »Darauf solltest du lieber verzichten«, sagte Tamaru sofort. »Den Wasserkopf habe ich zwar überzeugt,

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