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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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das sind teure Apartments, die an ausländische Konsulatsangestellte vermietet werden. Früher konnten auch normale Leute, die nicht reich waren, hier wohnen. Wir haben solche Wohnungen vermittelt. Aber heutzutage gibt es so etwas nicht mehr. Deshalb denke ich auch daran, mein Büro zu schließen. Die Grundstückspreise in der Innenstadt sind wahnsinnig gestiegen. Kleine Unternehmen wie wir können da nicht mehr mithalten. Wenn Sie nicht gerade reich sind, sollten Sie lieber woanders suchen.«
    »Da haben Sie recht«, sagte Ushikawa. »Es ist nicht gerade etwas, womit man sich brüstet, aber Geld habe ich wirklich keins. Also probiere ich es lieber anderswo.«
    Mit einem Seufzer stieß der Alte den Rauch aus. »Wenn Frau Okata stirbt, muss früher oder später auch ihre Villa dran glauben. Der Sohn ist nämlich ein gewiefter Geschäftsmann. Ein so großes Grundstück in bester Lage wird er bestimmt nicht ungenutzt lassen. Er wird keine Zeit verlieren und dort sofort Luxusapartments bauen. Wahrscheinlich hat er schon alles genau geplant.«
    »Da wird sich Ihr Viertel ganz schön verändern, was? So ruhig wird es nicht bleiben.«
    »Ja, mit der Ruhe ist es dann ein für alle Mal vorbei.«
    »In welcher Branche ist denn der Sohn?«
    »Eigentlich ist er auch Makler, also in der gleichen Branche wie ich. Aber zwischen uns besteht ein Unterschied wie zwischen einem Rolls-Royce und einem Drahtesel. Die schieben Unsummen von Kapital hin und her und machen Riesengeschäfte. Saugen alles bis auf den letzten Tropfen aus. Nicht ein Krümel fällt für unsereinen ab. Eine schlechte Welt ist das geworden.«
    »Ich habe mich vorhin etwas umgeschaut. Sehr beeindruckend. Wirklich ein prachtvolles Anwesen.«
    »Ja, selbst in dieser Gegend ist es das prächtigste. Bei der bloßen Vorstellung, dass diese herrlichen Weiden einmal gefällt werden könnten, blutet mir das Herz«, klagte der Alte und schüttelte bekümmert den Kopf. »Hoffentlich ist Frau Okata noch ein langes Leben beschert.«
    »Ja, das ist zu hoffen«, pflichtete Ushikawa ihm bei.
    Als Nächstes rief Ushikawa bei der Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt an, deren Nummer zu seinem Erstaunen im Telefonbuch stand. Es handelte sich um eine gemeinnützige Organisation, die von mehreren Rechtsanwälten ehrenamtlich geleitet wurde und eng mit dem Frauenhaus der alten Dame zusammenarbeitete. Ushikawa gab sich wie üblich als Vertreter der Stiftung für neue japanische Wissenschaften und Künste aus. Er bat um einen Termin und deutete die Möglichkeit einer finanziellen Spende an. Datum und Uhrzeit wurden festgesetzt.
    Als Ushikawa dort ankam, überreichte er seine Visitenkarte (die gleiche, die er auch Tengo gegeben hatte) und erklärte, es sei eines der Ziele dieser Körperschaft, pro Jahr eine gemeinnützige Organisation auszuwählen, die hervorragende Dienste an der Gesellschaft leiste, und diese mit einem Fördergeld zu bedenken. Die Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt gehöre zu den Kandidaten. Den Namen des Sponsors dürfe er nicht nennen, die Verwendung der Fördergelder sei jedoch an keine Vorgaben und Verpflichtungen gebunden, außer der, nach Ablauf des Jahres einen kurzen Bericht zu verfassen.
    Natürlich war der erste Eindruck, den die jungen Anwälte von Ushikawa hatten, nicht gerade positiv. Aufgrund seines Äußeren gelang es ihm nie, auf Anhieb sympathisch und vertrauenswürdig zu erscheinen. Allerdings litt die Beratungsstelle unter chronischem Geldmangel, und so war jede Hilfe willkommen. Man nahm Ushikawa seine Geschichte sofort ab, obwohl es eine Menge Raum für Zweifel gegeben hätte.
    Ushikawa äußerte den Wunsch, mehr über die inhaltliche Arbeit der Beratungsstelle zu erfahren. Also schilderte man ihm die Geschichte ihrer Entstehung und wer sie auf welche Weise ins Leben gerufen hatte. Ushikawa langweilte sich grässlich; dennoch lauschte er aufmerksam und mit einer Miene, die äußerstes Interesse vorspiegelte. Dabei murmelte er immer wieder zustimmend, nickte beifällig und machte ein leutseliges Gesicht. Auf diese Weise gewann er zunehmend das Vertrauen der jungen Leute. Jetzt, auf den zweiten Blick, kam er ihnen gar nicht mehr so verdächtig vor. Ushikawa war ein geschickter Zuhörer und wickelte durch sein aufrichtig wirkendes Interesse die meisten Menschen um den Finger.
    Bei passender Gelegenheit lenkte er das Gespräch beiläufig auf das Frauenhaus. Wo denn die bedauernswerten Frauen auf ihrer Flucht vor der häuslichen Gewalt

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