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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Auch ein junger Mensch konnte Krebs, einen Hirntumor, eine Bauchfellentzündung oder eine akute Lungenentzündung bekommen. Der menschliche Körper war fragil und verwundbar. Aber wenn eine Frau, die in so privilegierten Verhältnissen lebte, mit sechsunddreißig Jahren verstarb, war es weitaus wahrscheinlicher, dass es sich um einen Unfall oder einen Selbstmord handelte.
    Nehmen wir einmal das berühmte Ockhamsche Rasiermesser zu Hilfe, dachte Ushikawa und rieb sich bedächtig die Hände, und stellen eine möglichst simple Hypothese auf. Unnötige Faktoren lassen wir vorläufig beiseite und betrachten die Abfolge unter rein logischen Gesichtspunkten .
    Angenommen also, die Tochter der alten Dame war nicht an einer Krankheit gestorben, sondern hatte Selbstmord begangen. Sicher wäre es nicht besonders schwer gewesen, die Öffentlichkeit zu täuschen und den Selbstmord als natürlichen Tod zu tarnen. Vor allem für jemanden, der über Einfluss und die nötigen Mittel verfügte. Und warum nicht noch einen Schritt weitergehen und annehmen, die Tochter sei ein Opfer häuslicher Gewalt geworden und habe aus Verzweiflung ihrem Leben selbst ein Ende bereitet? Auch das war nicht ausgeschlossen. Es war eine allgemein bekannte Tatsache, dass nicht unerhebliche Teile der sogenannten Elite – gewissermaßen überproportional im gesellschaftlichen Gesamtdurchschnitt – einen unduldsamen Charakter und perverse Neigungen besaßen.
    Wie hätte sich die alte Dame als Mutter verhalten? Hätte sie gedacht, das ist Schicksal, da kann man nichts machen, und einfach resigniert? Nein, auf keinen Fall. Ganz bestimmt hätte sie denjenigen, der ihre Tochter in den Tod getrieben hatte, angemessen bestraft. Ushikawa hatte mittlerweile eine gewisse Vorstellung vom Charakter der alten Dame. Sie war eine mutige, kluge Frau, die einen klaren Blick hatte und ihre Entscheidungen ohne auch nur eine Sekunde zu zögern und mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln in die Tat umsetzte. Jemanden, der einem von ihr geliebten Menschen ein Leid zufügte, das ihn sogar das Leben kostete, würde sie bestimmt nicht ungeschoren davonkommen lassen.
    Welche Art von Rache sie an dem Mann genommen hatte, konnte Ushikawa nicht in Erfahrung bringen. Er schien sich buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben. Ushikawa glaubte nicht, dass die alte Dame den Mann getötet hatte. Sie war ein besonnener, wohlüberlegt handelnder Mensch von großem Weitblick. Etwas so Brutales würde sie nicht tun. Allerdings zweifelte er nicht daran, dass es sich um eine besonders wirksame Maßnahme gehandelt hatte. Doch ganz gleich, was sie dem Mann angetan hatte, es war kaum vorstellbar, dass sie unliebsame Spuren hinterlassen hatte.
    Aber der Zorn und die Verzweiflung einer Mutter, der man die Tochter geraubt hatte, war nicht allein durch persönliche Rache zu stillen. Also bot die alte Dame, als sie aus der Zeitung von der Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt erfuhr, ihre Mitarbeit an und stellte das ungenutzte Haus in Azabu kostenlos und unter der Bedingung, dass ihr Name nicht genannt wurde, in den Dienst der Sache. Zugleich konnte sie auf diese Weise ihren Durst nach Rache sublimieren.
    Bis dahin fand er seine Vermutungen einigermaßen logisch, auch wenn sie keine konkrete Basis hatten. All das war nicht mehr als eine Ansammlung von Hypothesen. Träfe seine Theorie jedoch zu, wären eine Menge Fragen vorläufig gelöst. Ushikawa leckte sich die Lippen und rieb sich geräuschvoll die Hände. Was sich weiter abgespielt hatte, war allerdings ziemlich unklar.
    Die alte Dame hatte die junge Trainerin Aomame wohl in dem Sportstudio kennengelernt, das sie regelmäßig besuchte. Was der Anlass war, wusste er nicht, jedenfalls kam es zu einer heimlichen und sehr engen Verbindung. Man traf exakte Vorbereitungen, Aomame wurde in das Zimmer im Hotel Okura eingeschleust und tötete den Leader. Auf welche Weise blieb ungewiss. Vielleicht verfügte Aomame über eine besondere Technik, mit deren Hilfe sie den Leader unter den wachsamen Blicken seiner treuen Leibwächter umgebracht hatte.
    Bis hierher ließ der feine Faden seiner Argumentation sich spinnen. Völlig ratlos jedoch stand Ushikawa vor der Frage, welche Beziehung zwischen dem Leader der Vorreiter und der Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt bestand. An dieser Stelle wurde der Fluss seiner Gedanken blockiert und sein schöner, durchgehender Faden von einem scharfen Rasiermesser durchtrennt.
     
    Was die Vorreiter von

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