1Q84: Buch 3
anschließende Ejakulation war stark und animalisch und das Sperma sehr reichlich und dickflüssig gewesen. Es war bestimmt bis in die Gebärmutter vorgedrungen. Oder noch weiter. Der ultimative Samenerguss.
Doch etwas derart Vollkommenes musste Nachwirkungen haben. So war das im Leben. Hatte er seit damals überhaupt eine Erektion gehabt? Er konnte sich nicht erinnern. Wahrscheinlich nicht. Oder sie war so zweitklassig gewesen, dass er sich nicht erinnern konnte. Wie eine Art B-Film, bei dem der Inhalt sich nach der Anzahl der verfügbaren Darsteller richtet. Eine solche Erektion war nicht der Rede wert. Wahrscheinlich.
Tengo fragte sich, ob er sich für den Rest seines Lebens ohne oder mit nur zweitklassigen Erektionen dahinschleppen würde. Das wäre zweifellos ein trübes Dasein, das sich hinzöge wie eine lange Dämmerung. Aber je nachdem, wie man es betrachtete, war es vielleicht unvermeidlich. Und immerhin hatte er einmal eine vollkommene Erektion und einen vollkommenen Samenerguss gehabt. Es ging ihm quasi wie der Autorin von Vom Winde verweht . Ein großer Wurf, und das war’s.
Tengo trank seinen Whiskey on the rocks aus, zahlte und wanderte weiter ziellos durch die Straßen. Es war windig und schon bitterkalt.
Ich muss Aomame finden, bevor die Welt aus den Fugen gerät und die Vernunft abhandenkommt, dachte er. Aomame zu begegnen war jetzt sein einziger Wunsch und Wille. Was würde es für sein Leben bedeuten, wenn er sie fände? Sie, die sich irgendwo hier in Koenji verbarg. Seit September. Wenn er Glück hatte, war sie vielleicht noch am gleichen Ort. Natürlich hatte er keine Beweise. Er konnte nur dieser Möglichkeit nachgehen. Aomame war irgendwo hier in der Gegend. Und ebenfalls auf der Suche nach ihm. Sie waren wie die Hälften einer zerbrochenen Münze, die ihre jeweils andere Hälfte suchen.
Tengo sah zum Himmel. Aber es war kein Mond zu sehen. Ich muss mir einen Platz suchen, von dem aus ich den Mond sehen kann, dachte er.
Kapitel 13
Ushikawa
Wieder am Anfang
Ushikawas auffällige Erscheinung machte ihn ungeeignet dafür, jemanden zu observieren oder zu beschatten. Selbst in einer größeren Menschenmenge war er so unübersehbar wie ein Tausendfüßler in einem Joghurtbecher.
Keiner in seiner Familie war wie er. Ushikawa hatte zwei Brüder und eine jüngere Schwester. Sein Vater war Arzt mit eigener Praxis, und seine Mutter machte die Buchhaltung. Ushikawas Brüder waren ausgezeichnete Schüler und studierten Medizin. Der ältere arbeitete in einer Klinik in Tokio, der jüngere forschte an der Universität. Wenn der Vater sich zur Ruhe setzte, sollte der älteste Sohn die Praxis in Urawa übernehmen. Beide Brüder waren verheiratet und hatten jeweils ein Kind. Ushikawas jüngere Schwester hatte an einer amerikanischen Universität studiert, bevor sie nach Japan zurückkehrte, um dort als Simultandolmetscherin zu arbeiten. Sie war Mitte dreißig, aber noch ledig. Alle drei waren schlank und hochgewachsen und hatten ebenmäßige ovale Gesichter.
Ushikawa war in fast allem und insbesondere, was sein Äußeres anging, aus der Art geschlagen. Er war klein, hatte einen großen Kopf und struppiges Haar. Seine Beine waren kurz und krumm wie Gurken. Seine Augen standen vor, was ihm einen Ausdruck ständiger Überraschung verlieh, und um seinen Hals rundeten sich bizarre Speckfalten. Seine Augenbrauen waren breit und dicht und fast zusammengewachsen. Sie erinnerten an zwei große, haarige Raupen, die es zueinanderdrängte. In der Schule war er eigentlich sehr gut, aber nicht in allen Fächern. Besonders schlecht war er in Sport.
In seiner wohlhabenden, selbstzufriedenen Elitefamilie war er stets ein Außenseiter. Er störte die Harmonie, war eine falsche Note, die Dissonanz hervorrief. Auf allen Familienfotos stach er deutlich heraus und wirkte wie ein vierschrötiger Fremder, der sich zwischen die anderen gedrängt hatte, um mit aufs Bild zu kommen.
Die übrigen Familienmitglieder konnten nicht begreifen, wie ein Mensch, der so gar keine Ähnlichkeit mit ihnen hatte, dennoch zu ihnen gehören konnte. Aber es gab keinen Zweifel, Mutter Ushikawa hatte dieses Kind zur Welt gebracht (und erinnerte sich, dass die Wehen außergewöhnlich schmerzhaft gewesen waren). Ushikawa war also nicht in einem Körbchen vor ihrer Tür abgestellt worden. Irgendwann fiel jemandem ein, dass es väterlicherseits einen Verwandten mit einem ebenfalls missgestalteten Kopf gegeben hatte. Irgendein Vetter von
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