1WTC
Sie?«
»Ja, weiter.«
»So, jetzt geht’s ins eigentliche Paradies. Wie kommt der Gefangene da hin? Das ist wichtig. Auch wenn er bewusstlos und mit Medikamenten vollgepumpt ist, es gibt Leute, die spüren alles. Der Raumwechsel muss sanft sein, ohne Erschütterungen. Der Körper erinnert sich an so was. Ich stelle mir vor, dass es da ein Schienensystem gibt, auf dem die Liegeflächen hin- und hergeschoben werden können. Der Gefangene wird jetzt also in den anderen Raum geschoben. Der Raum ist ebenfalls rund, eine zweite Kuppel. Das ist extrem wichtig.«
»Schaffen wir das so schnell?«
»Kuppeln mit einer perfekt glatten Innenoberfläche werden wir wohl kaum hinbekommen. Aber wir könnten das auch als geodätische Kuppel machen. Ein normaler Pioniertrupp kann das ruck, zuck aufbauen.«
Geodätische Kuppeln. Sphärische Konstruktionen mit einer Substruktur aus Dreiecken. In beliebigen Größen aus vorgefertigten Elementen zu errichten. Vom amerikanischen Ingenieur Richard Buckminster Fuller (1885-1983), der während und nach dem Zweiten Weltkrieg eng mit dem amerikanischen und britischen Militär zusammenarbeite, ab den vierziger Jahren als visonäres Raum- und Konstruktionsmodell propagiert. Bekanntestes Beispiel einer realisierten geodätischen Kuppel ist die von ihm als amerikanischer Beitrag für die Weltausstellung in Montreal 1967 konstruierte »Biosphere«.
Tom zeichnet einen zweiten Kreis in den Grundriss. Er zeigt auf die entstehenden Resträume. »Hier sind die Räume für die Ärzte und das andere Personal. Wir brauchen ja auch noch ein paar Huris.«
»Huris? Ach so, die Jungfrauen. Polnische?« Sunner lacht schmutzig.
»Später. Erst mal die Architektur. Den zweiten Raum, also das richtige Paradies, sieht man besser im Schnitt.« Neben den Grundriss zeichnet Tom einen weiteren Kreis. »Der ist jetzt keine gewöhnliche Kuppel mehr, also keine Halbkugel. Der muss komplett kugelförmig sein, okay? Da muss man den Boden ausheben. Also, der Gefangene wacht auf und liegt auf einem schwebenden Teppich, so ein richtig schön großer, alter. Am besten aus dem Land, aus dem der Gefangene kommt. Teppiche sind ja auch Paradiesabbildungen, klar? Der Gefangene denkt nun, er schwebt, aber in Wirklichkeit liegt der Teppich auf einer verdeckten Plattform. In der sind kleine Motoren, die den Teppich ein bisschen bewegen, so wie eine Schaukel oder wie im Wellenbad. Die ganze Technik sieht der Gefangene aber nicht, denn um ihn herum ist alles weiß und hell. Wie in einer Wolke. Hier«, Tom zeichnet kleine Punkte in den Schnitt, »auf der Innenoberfläche der Kugel sitzen Tausende kleiner Düsen, aus denen sprüht Wasserdampf. Der Gefangene befindet sich also wirklich in einer Wolke. Die Wolke ist überall, auch unter ihm, wenn er über den Rand des Teppichs schaut. Das traut er sich aber eh nicht, denn der Teppich bewegt sich ja wellenförmig, und er will auf keinen Fall runterfallen. So, das ist das Setting.« Tom hat sich in Fahrt geredet. »Aber das ganze Drumherum muss natürlich auch stimmen. Der Gefangene trägt ein weißes Gewand, wie bei der Hadsch. Allerdings aus Seide oder einem anderen fließenden, edlen Stoff. Seine Haut sollte eingecremt sein, weich, geschmeidig. Neben ihm frische Blumen, mit weißen Blüten. Und er hat natürlich einen ordentlichen Aufheller gespritzt bekommen. Der ist also richtig high, wenn er aufwacht, okay? Außerdem läuft Musik, und die Raumluft ist parfümiert. In den Nebel kann man Videos mit tanzenden Frauen projizieren. Besser wäre es natürlich, echte tanzende Huris zu haben. Aber dafür brauchen wir weitere schwebende Plattformen, und das kostet Geld. Auf der gleichen Plattform wie der Gefangene sollten die sich besser nicht befinden, sonst sind die ja nicht mehr lange Jungfrauen.«
Sunner lacht laut auf.
»Wie Sie das mit den Jungfrauen handhaben, ist Ihre Entscheidung«, fährt Tom fort. »Oder die Ihres Budgets. Auf jeden Fall sollte man einen Raum vorhalten, in dem sie sich umziehen können und so.« Er atmet durch. »So, das war’s erst mal zu Architektur und Inneneinrichtung.«
Sunner schweigt, schaut abwechselnd auf die Skizzen, die Tom während des Gesprächs angefertigt hat, und in Toms Gesicht.
»Das wird funktionieren?«
»Ja, ich denke schon. Es gibt allerdings noch ein Problem. Ich weiß nicht, warum die Gefangenen da reden sollen. Vielleicht haben die ja auch Angst, so kurz vor dem Paradies, sie wissen ja noch nicht, was sie im Himmel erwartet. Aber
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