1WTC
Allah weiß ja ohnehin, was sie gemacht haben, warum sollten sie dann reden?«
»Keine Sorge. Da kümmere ich mich drum. Zeichne das auf, wie du es eben beschrieben hast. Mach den Teppich und die Plattform etwas größer. Und alles so schnell wie möglich. Sag mir Bescheid, wenn’s fertig ist. Du kannst sehr stolz sein.«
»Dann sind Sie zufrieden?«
»Zufrieden? Mehr als das.« Sunner lächelt väterlich. »Ich glaube, das wird das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat.«
Totale.
Ein Flughafen, Waldgebiet. Kiefern. Landeanflug eines Globemaster. Der Militärtransporter setzt auf und kommt auf dem Rollfeld zum Stehen.
Blende.
Halbtotale. Ein dunkler Raum, in der Mitte eine Liege. Eine Person wird hereingebracht. Orangefarbener Gefangenenanzug, schwarzer Vollbart. Hände auf den Rücken gefesselt. Fußfesseln. Die Person blickt nach unten.
Zwei Männer in schwarzen Kampfanzügen drücken den Mann auf die Liege. Hände und Füße werden mit Lederriemen festgeschnallt. Die Liege wird in Schräglage gebracht, die Füße höher als der Kopf. Ein Tuch wird über das Gesicht des Gefangenen gebreitet und festgedrückt. Einer der beiden Männer lässt Wasser über das Tuch laufen. Der Körper zuckt.
Lange Einstellung auf den Körper, der Kopf ist nicht im Bild. Ruhephasen wechseln sich ab mit heftigen Zuckungen. Auf dem Boden breiten sich Wasserpfützen aus.
Als Geräuschkulisse panisches Luftholen.
Nahaufnahme. Verkrampfte Hände in strammgezogenen Fesseln. Eine Spritze wird in eine geschwollene Vene gestochen. Die Hände entspannen sich. Die rhythmischen Zuckungen lassen nach, die Wasserpfütze wächst.
Halbtotale. Die zwei Männer in Kampfanzügen bringen die Liege wieder in die Horizontale und rollen sie zur Wand, wo sich eine Schiebetür öffnet. Aus dem dahinterliegenden Raum dringt helles Licht.
Blende.
Halbtotale. Ein strahlend weißer Raum ohne erkennbare Grenze. In der Bildmitte ein orientalischer Teppich, der von Dunstschwaden umgeben ist und zu schweben scheint. Darauf liegen der Gefangene, jetzt nicht mehr gefesselt, sowie eine weitere Person. Beide tragen eine weiße Kandoura.
Im Hintergrund weitere Plattformen mit nackten Bauchtänzerinnen. Als Geräuschkulisse traditionelle arabische Musik.
Nahaufnahme. Der Mann öffnet die Augen. Dreht den Kopf. Betrachtet seine Hände. Schaut sich um. Er beginnt, mit dem neben ihm liegenden Mann zu sprechen.
Zoom in die Halbtotale.
Blende.
Das kleine Haus steht direkt am See. Beige gestrichene Holzfassade. Durch die Fenster sieht man in den lichten Wald. Neben dem Haus ein Stapel Brennholz. Eine Bank. Seitlich führt ein Weg zum See hinab. Ein schmaler Sandstrand, sanfter Wellengang.
Ein Ferienhäuschen am Lake Michigan. Keine Ablenkung, Ruhe und Abgeschiedenheit. Syana weiß noch nicht, wie lang sie hierbleiben wird. Sie hat sich vorgenommen, das Spiel weiterzuentwickeln, die Programmierer in Detroit haben ihr einige wichtige Hinweise gegeben. Außerdem muss sie das ganze Projekt noch einmal grundsätzlich durchdenken und konzeptionell schärfen. An manchen Stellen erscheint es ihr noch nicht radikal genug.
Ist das, woran sie arbeitet, überhaupt noch ein Spiel? Oder schon eine erweiterte Form der Wirklichkeit? Oder beides? Vorerst nennt Syana es einfach »Das Spiel«. Sie sitzt jetzt schon seit mehreren Jahren daran, technisch hat sie es weitgehend im Griff, es fehlen nur noch ein paar Details. Aber da ist noch etwas anderes, das sie bislang daran gehindert hat, das Spiel fertigzustellen: die Angst vor der letzten Konsequenz.
Alternate Reality Games (ARG). Spiele, die in einer Ersatzwirklichkeit verschiedene Realitätsebenen miteinander vermischen und sich dabei nicht auf ein Spielmedium beschränken. Ziel ist die Verschmelzung von Fiktion und Realität. Plötzlich klingelt es in der Telefonzelle, eine Spielanweisung kommt per Post oder per SMS, Schauspieler bringen das Spiel in den Alltag. Alles kann Teil des Spiels werden – eine eigene, alternative Wirklichkeit. Maximierung der suspension of disbelief .
Ubiquitous Games. Spiele, die keine zeitliche und räumliche Grenze kennen. Werden immer und überall gespielt. Eines der frühen experimentellen Beispiele ist »Botfighter« aus dem Jahr 2001, ein von der schwedischen Firma It’s Alive entwickeltes, Handy-basiertes Spiel. Über eine Website kann man eine virtuelle Spielfigur – einen Roboter, den »Bot« – mit Waffen und Munition ausrüsten. Sobald der Teilnehmer sein Handy anstellt, ist
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