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er im Spiel. Also eigentlich immer. Und das Spielfeld ist nicht das Display, sondern der Stadtraum, in dem sich der Spieler aufhält. Sobald ein anderer Spieler sich in der gleichen Funkzelle befindet, müssen entweder per SMS vergebene Aufgaben gemeinsam gelöst oder die online zusammengestellten Waffen gegeneinander eingesetzt werden.
Syana liebt Computerspiele seit ihrer frühen Kindheit. Keine Adventure Games, keine Geschicklichkeitsspiele, sondern Spiele, in denen es ums Töten geht. Von da war es nur ein logischer Schritt, Spiele für das Militär zu entwickeln. Echte Ego-Shooter. Hier boten sich ihr neue technische Möglichkeiten – von dem Reiz, die Grenze zwischen Simulation und Wirklichkeit noch weiter verschwimmen zu lassen, ganz abgesehen. Üben für den Ernstfall, in einer spielerischen Umgebung. Reaktionsgeschwindigkeit, Sozialverhalten, Entscheidungskompetenz. Trainingsspiele bereiten auf die Wirklichkeit vor, statt sie nur nachzuahmen.
Zwei Dinge fand Syana bei den üblichen Ego-Shootern unbefriedigend: die Sinnlosigkeit der Zielsetzung, denn letztendlich ging es bei diesen Schlachten um nichts, und die Vorherbestimmtheit der Handlung. Das Ende war immer absehbar. Syanas totales Spiel soll anders sein, sein Verlauf nicht vorherbestimmt, sein Ziel sinnvoll: die Welt verändern.
Serious Games. Spiele, die bilden, informieren, trainieren oder ein ernsthaftes Problem beheben sollen. Das Ziel besteht darin, die Zeit, Energie, Leidenschaft und Konzentration, die die Spieler zum Lösen von Aufgaben in der Spielwelt aufbringen, für die Bearbeitung von Problemen in der echten Welt zu nutzen. Laut der Game-Designerin Jane McGonigal vom amerikanischen Institute for the Future verändern die Spieler durch die im Spiel gemachten Erfahrungen nachhaltig ihr Verhalten in der Realwelt.
Bei »World Without Oil«, einem Alternate Reality Game aus dem Jahr 2007, stellten sich 1700 Spieler für einen Zeitraum von 32 Wochen vor, sie würden den Beginn einer weltweiten Ölkrise erleben – und mussten ihr Verhalten im echten Leben dem Spielszenario entsprechend ändern. McGonigal zufolge hielten sich die Spieler noch drei Jahre später an die im Spiel gemeinsam entwickelten – und eingeübten – Methoden des Energiesparens.
Syana will mehr, ihr geht es nicht nur um Entertainment und ein bisschen Energiesparen, sondern um politische Veränderungen. Deshalb akzeptiert »Das Spiel« keine Grenzen und lässt sich keinem Genre zuordnen: Es ist das ultimative Serious Game, das so ernst ist, das man in ihm auch töten und getötet werden kann. Nicht virtuell, sondern physisch.
Spielziel: In »Das Spiel« ist der Gegner kein programmierter Agent, sondern ein realer Mensch: die Zielperson. »Das Spiel« soll bei ihr Widerstand wecken und ihr die Möglichkeit geben, sich darin zu üben.
Spielverlauf: »Das Spiel« hat drei Level und endet mit dem Kampf gegen – oder auch mit – einem Endgegner. In jedem Level verändert sich das Verhältnis zwischen Spieler und Zielperson.
Die Basis von »Das Spiel« sind die totale Überwachung komplexer Vorgänge und manipulative Machtausübung. Der eigentliche Spielvorgang wirkt dabei sehr einfach, fast langweilig, erfordert aber viel Geduld und Feingefühl.
Anmeldung: Der Spieler meldet sich über einen kryptotechnisch gesicherten Server an und gibt auf der Eingabemaske von »Das Spiel« den Namen einer Person ein, mit der er – oder besser: die er – spielen möchte. Zur genauen Identifizierung schickt »Das Spiel« einen Suchagenten durch Melderegister und Sozialversicherungsdateien, stellt Geburtsdaten und Wohnorte zusammen, sucht auf Facebook, Flickr und ähnlichen Seiten nach Bildern. Dann bestätigt der Spieler die Zielperson, und »Das Spiel« beginnt.
Level 1: Das erste Level ist eine Art Tutorial, in dem es um die Kunst der Informationsbeschaffung geht – und um die sich daraus ergebende Kompetenz, Aussagen über das zukünftige Verhalten der jeweiligen Zielperson zu treffen.
Gleichzeitig wird in dieser Vorübung die Basis für die nächsten Level gelegt, denn nur wer umfangreiches Wissen über seine Zielperson besitzt, kann die schwierigeren Level erfolgreich abschließen. Es gilt, Aufenthaltsorte und Bewegungsmuster zu analysieren. Ausgewertet werden: Kontoauszüge, Kreditkartenabfragen, Kundenkarten, Fluggastdaten, Arztbesuche, Vorstrafenregister. Google-Suchanfragen, abgerufene Internetseiten, E-Mails, Ortungsdaten der Handynutzung usw. Es gibt viele Quellen, aus
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