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gutgeschrieben.
Level 2 endet, sobald die Zielperson realisiert, dass jemand in ihr Leben eingedrungen ist und mehr und mehr die Kontrolle übernommen hat.
Level 3: Stimulation von Widerstand. Die Zielperson versucht nun, sich gegen die Einflussnahme von außen zu wehren. Sobald dies dem Spieler auffällt – weshalb er regelmäßig die Mails der Zielperson nach entsprechenden Schlüsselbegriffen durchsuchen und die Gespräche mit Freunden und Vertrauten abhören sollte –, bearbeitet er keine von »Das Spiel« gestellten Aufgaben mehr, sondern versucht, die Zielperson unauffällig zu Widerstand anzuregen. Die entscheidende Frage ist nun, ob die Zielperson aufbegehrt oder ob sie sich der Fremdbestimmung fügt.
In Agonie des Realen schreibt der französische Philosoph und Medientheoretiker (1929-2007) Jean Baudrillard über die Terroraktionen im Italien der siebziger Jahre: »Handelt es sich bei den Sprengstoffanschlägen in Italien um die Taten linker Extremisten oder um eine Provokation der extremen Rechten oder um eine von der Mitte ausgehende Inszenierung mit der Absicht, die Extremisten in Verruf zu bringen, um damit die eigene angeschlagenen Macht wiederzuerlangen, oder handelt es sich um ein Szenario der Polizei und um eine Erpressung der öffentlichen Sicherheit?«
Die Zielperson meldet das Mobiltelefon ab, nutzt das Internet nicht mehr, geht zur Polizei, beauftragt einen Privatdetektiv, konsultiert einen Anwalt. Für den Spieler wird es immer schwieriger, die Zielperson zu steuern.
Das Ziel besteht aber nicht darin, dass die Zielperson sich der Einflussnahme durch den Spieler entzieht, sondern dass sie durch die Einflussnahme von außen das gesamte gesellschaftliche System – für Syana eine manipulative Kontrollgesellschaft – infrage stellt und schließlich bekämpft.
Der Spieler kann diesen Prozess stimulieren, in dem er gezielte Ein- und Übergriffe vornimmt. Doch wo zieht er dabei die Grenze? Und welches Risiko geht er ein? Ist dieser zum Beispiel bereit, jemanden aus dem engen Umfeld der Zielperson (die Eltern, die Frau, das Kind) zu töten, um so deren Wut zu steigern?
Sofern er diese Manipulationen nicht selbst physisch vornehmen, sondern über die Dienstleistungen und sozialen Netzwerke von »Das Spiel« ausführen lassen will, geht das natürlich nicht ohne den entsprechenden Kontostand. Nichts ist umsonst, auch nicht in »Das Spiel«.
Die Entscheidung, wann Level 3 fertiggespielt ist, trifft der Spieler. Denn irgendwann droht das Level einen toten Punkt zu erreichen: Je erfolgreicher der Spieler agiert, desto heftiger wehrt sich die Zielperson gegen die Manipulation. Das raubt dem Spieler die Handlungsmöglichkeit, er kann die Zielperson dann nicht länger steuern. Das inhaltliche Ziel von »Das Spiel« wäre damit eigentlich erreicht: Der Widerstandswille der Zielperson wurde geweckt und im Idealfall von ihr erfolgreich eingeübt. Doch das totale Spiel kennt kein Ende, weil es in seiner eigenen Logik liegt, sich wie ein Virus zu verbreiten. Deshalb wartet »Das Spiel« mit einem überraschenden Endgegner auf.
Spielstrategie: In jedem Spiel gibt es unterschiedliche Strategien, mit denen man erfolgreich sein kann. Und natürlich spielt neben Übung auch Glück eine Rolle. Bei »Das Spiel« sind Geduld, Fleiß und der Reichtum an Informationen die entscheidenden Kriterien. Je länger man im ersten Level seine Zielperson beobachtet hat und je minutiöser das Wissen über sie ist, desto schneller kann man im zweiten Level Punkte sammeln. Um dieses Wissen zu erlangen, muss man aber erst einmal Zeit investieren. Oder man spielt auf Risiko und versucht, mit weniger detaillierten Informationen ins zweite Level vorzudringen. Je raffinierter der Spieler beim Erfüllen der Missionen in Level 2 vorgeht, desto weiter zögert er den Beginn von Level 3 hinaus. So ist er in der Lage, wertvolle Punkte zu sammeln – die er in Level 3 gut gebrauchen kann, um mit gezielten Operationen den Widerstandswillen der Zielperson zu stimulieren. Allerdings muss er dann auch länger auf den Höhepunkt von »Das Spiel« warten: die Auseinandersetzung mit dem Endgegner.
Endgegner: Im letzten Schritt von »Das Spiel« offenbart sich der Spieler gegenüber seiner Zielperson und versucht, sie als weiteren Spieler von »Das Spiel« zu gewinnen. Doch wie verhält sich die Zielperson? Wird sie sich am Spieler rächen? Oder selbst zum Spieler werden, um andere zum Widerstand gegen das gesellschaftliche System anzuregen?
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