2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
Wind heulte gespenstisch, der Regen trommelte gegen die Fensterscheiben, und Schatten tanzten an den Wänden.
Je länger Samantha auf die blassblaue Wand starrte, desto siche rer wurde sie, dass sie sich bewegte. Wirklich bewegte. Als ob es eine türgroße Öffnung in der Wand gäbe. Einen Moment lang glaubte sie doch tatsächlich, die Gegenwart von jemandem zu spüren. Und zwar von einem Mann, der sie mit äußerstem Vergnügen mit seinen Blicken auszuziehen schien.
Du meine Güte, dachte Samantha, was für eine schöne Sache ist doch eine lebhafte Phantasie, und noch dazu ein ausgezeichnetes Mittel gegen Schlaflosigkeit. Sie gähnte laut und drehte sich auf die Seite.
Und in diesem Augenblick sah sie, wie die Türklinke herabgedrückt wurde. Samanthas Herz begann zu hämmern, aber sie hatte nicht wirklich Angst. Sie verfügte nämlich über eine Lautstärke, dass sie mit ihren Schreien die ganze Nachbarschaft im Umkreis von zehn Kilometern aufwecken könnte. Und sie würde schreien, wenn es ein Einbrecher war.
Knarrend öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Ein großer, schwarzer Schatten - so groß wie ein Bär - kam herangaloppiert und warf sich mit einem Plumps aufs Bett. Der Schrei erstickte gerade noch rechtzeitig in Samanthas Kehle und wurde zu einem nervösen Kichern. „Du kannst also Türen aufmachen, was, Jezzie?" flüsterte sie. „Zum Kuckuck, du hast mich fast zu Tode erschreckt. Hat er dich aus dem Bett geworfen, armes Baby? Das ist schon in Ordnung. Du kannst bei mir bleiben."
Jezebel war zum Glück inzwischen wieder trocken, aber sie nahm den größten Teil des Bettes ein. Samantha war das gleichgültig. Sie drehte sich auf die andere Seite und registrierte diesmal, ohne besondere Überraschung, dass die blassblaue Wand eine simple, gewöhnliche Wand war. Keine Öffnung und keine seltsamen Schatten.
Sie kuschelte sich an ihr Kissen und schloss beruhigt die Augen.
Seth konnte nicht einschlafen. Er hatte es schon mit Kniebeugen und Schafe zählen versucht, und im Augenblick probierte er es mit vierzig Liegestützen auf dem Perserteppich in seinem Schlafzimmer. Es war drei Uhr morgens. Irgend etwas musste ihn doch ermü den.
Samantha Adams war schuld. Sie hatte ihn ganz schön durcheinander gebracht. Um
genauer zu sein, ihr Kuss hatte das getan. Na gut, es war nur ein harmloses Küsschen gewesen, aber sie hatte schließlich nicht wissen können, ob er ein gesuchter Massenmörder oder etwas Ähnliches war. Sie hielt sich wahrscheinlich für sehr witzig, als sie sagte, er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass sie in sein Zimmer käme, um ihn zu verführen. Wirklich witzig.
Verbissen quälte er sich weiter mit den Liegestützen. Es war peinlich, dass sie ihn so leicht durchschaut hatte. Was für eine Frau. Sie strahlte mehr Erotik aus als zehn Frauen zusammengenommen, und sie war völlig unberechenbar. Sie gehörte zu den Frauen, die keine Sekunde zögerten, ihrem Impuls nachzugeben.
Jedenfalls würde sie bei ihm eine herbe Enttäuschung erleben, wenn sie auf eine Eroberung aus war.
Seth gab auf und rollte sich schwer atmend auf den Rücken. Es war unvermeidlich, dass seine unerwartete Besucherin ihn sofort an Gail denken ließ. Wenn er an Sex dachte, dachte er immer an Gail.
Sie waren verlobt gewesen. Kennen gelernt hatten sie sich an ei nem schönen Frühlingstag, als sie auf dem Weg zu einer Hochzeit war. Sie hatte eine Reifenpanne, und Seth hielt an, um ihr zu helfen. Er trug seine Arbeitskleidung und sie ein Seidenkleid, das ge nauso blau wie ihre Augen war. Gail steckte voller Energie, konnte keinen Moment stillhalten. Auch im Bett war sie unermüdlich. Sie hatte ihm ein oder zwei Dinge beigebracht, und es gab nichts, was sie nicht bereitwillig ausprobieren wollte.
Vielleicht hatte er sich ja nicht genügend angestrengt. Vielleicht hätte er den versteckten Hinweis bemerken sollen, als sie darauf bestand, ihr Apartment bis nach der Hochzeit zu behalten. Er würde wahrscheinlich nie den Tag vergessen, als er unangemeldet zu ihr kam und sie mit einem anderen Mann im Bett überraschte. Der Kerl war ein zweiter Mister Universum gewesen. Gail liebte muskulöse Männer.
Es war damals ein harter Schlag für Seth, von dem er sich nur schwer erholte. Dass er Gail verloren hatte, bedauerte er nicht mehr, denn wenn es um Treue ging, hatte er noch ziemlich altmodische Prinzipien, und einen Seitensprung würde er nie vergeben. Aber vor einigen Monaten lernte er eine neue Frau kennen, mit
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