2 Die Rinucci Brüder: Mein zärtlicher Verrführer
Vielleicht würde sie Enrico Leonate und sogar Primo Rinucci kennenlernen.
Lächelnd gestand sie sich ein, dass es ihr jetzt egal war, ob sie ihm jemals begegnete oder nicht. Nur noch Jack Cayman war wichtig für sie. Schließlich fuhr sie aus der Tiefgarage und wollte in die Hauptstraße einbiegen. In dem dichten Berufsverkehr wurde sie nervös, kam mit dem Wagen nicht mehr zurecht und verlor die Übersicht. Jetzt konnte sie nachvollziehen, was in Jack vorgegangen war, als er in London den Unfall verursacht hatte.
Als hinter ihr jemand hupte, riss sie das Steuer herum, doch leider zur falschen Seite, wie ihr zu spät klar wurde. Sie drehte sich um, um festzustellen, ob sie ausweichen konnte, und bekam gerade noch mit, dass jemand vor dem Wagen auftauchte und sogleich wieder verschwand.
„O nein!“, rief sie aus, während sie anhielt und aus dem Auto sprang. „Sind Sie verletzt?“ „Vermutlich habe ich nur blaue Flecken am ganzen Körper“, antwortete der Mann, der auf dem Boden lag. Glücklicherweise klang er eher belustigt als zornig oder schwer verletzt, was das Schlimmste gewesen wäre, was sie sich hätte vorstellen können.
„Habe ich Sie angefahren?“
„Nein, ich konnte mich gerade noch in Sicherheit bringen und bin dabei gestolpert.“ Er stand auf. „Auf die Bordsteinkanten zu fallen tut höllisch weh“, beschwerte er sich und rieb sich den Ellbogen. Das Gehupe hinter ihnen zeigte an, dass die anderen Fahrer darauf warteten, weiterfahren zu können.
„Ich muss Platz machen“, erklärte Olympia. „Soll ich Sie mitnehmen? Ich kann Sie ja nicht hier stehen lassen.“
„Soll ich Ihren Wagen fahren?“
„Gute Idee“, stimmte sie erleichtert zu. „Die Straßen in Neapel sind … ach, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.“
Nachdem sie eingestiegen waren und der Mann den Wagen sicher durch den dichten Verkehr lenkte, kam er auf Olympias Bemerkung zurück. „Das ist nicht nur in Neapel so. In ganz Italien sind die Straßen in einem haarsträubenden Zustand, und jeder fährt mehr oder weniger, wie er will. Sie sind keine Italienerin, oder?“
„Sie haben es erraten. Sie sind aber auch kein waschechter Italiener, wie man Ihrem Akzent entnehmen kann. Sind Sie Engländer?“
„Als Kind war ich es. Was ich jetzt bin, weiß ich manchmal selbst nicht. Wie heißen Sie?“
„Olympia Lincoln.“
„Ich bin Luke Cayman.“
„Wie bitte?“ Sie sah ihn verblüfft an. „Sind Sie mit Jack Cayman verwandt?“
In dem Moment musste Luke sich auf den Sportwagen vor ihm konzentrieren, der ihn beim Überholen schnitt und ihn zwang zu bremsen. Luke fluchte lautstark vor sich hin, dann beruhigte er sich wieder und überlegte, wie die junge Frau auf Jack Cayman kam.
Dass er vorsichtig sein musste, war Luke klar, denn wahrscheinlich hatte sein Bruder Primo sich mit diesem Namen vorgestellt und führte etwas im Schilde. Es wäre interessant, herauszufinden, was es war.
„Entschuldigen Sie“, antwortete er schließlich. „Wie war der Name?“
„Jack Cayman. Ich habe ihn in England kennengelernt. Er arbeitet für Leonate. Sie sind bestimmt mit ihm verwandt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zwei Engländer mit demselben englischen Familiennamen in Neapel gibt.“
Vielleicht ist alles ja ganz harmlos; wenn er geschäftlich in England unterwegs ist und nicht erkannt werden will, benutzt Primo öfter den Namen seines Vaters, überlegte Luke.
„Das ist vermutlich mein Bruder“, sagte er.
„Gehören Sie auch zu der Firma?“
„Zu Leonate? Nein, ich besitze ein eigenes Unternehmen in derselben Branche. Jack reist viel umher, deshalb sehen wir uns nicht oft. Wissen Sie was? Ich kenne hier in der Nähe eine gemütliche Trattoria. Lassen Sie uns dort etwas essen. Nach dem Schrecken, den Sie mir eingejagt haben, muss ich mich stärken.“
Es fiel ihr schwer, zu glauben, dass überhaupt jemand diesen großen, breitschultrigen und sehr attraktiven Mann, der so unerschütterlich wirkte, erschrecken konnte. Sie verbiss sich jedoch jeden Kommentar.
Nachdem sie einen freien Tisch gefunden hatten, bestellten sie sich jeder eine Pizza und Kaffee. „Zu Leonate gehe ich immer zu Fuß. Was hatten Sie denn da zu tun? Sie sind ja aus der Tiefgarage gekommen.“
„Ich arbeite in dem Unternehmen. Das heißt, ich werde dort arbeiten. Bis jetzt war ich bei Curtis in England angestellt.“
„Dann sind Sie mit übernommen worden?“
„So kann man es nennen. Ich soll hier meine Sprachkenntnisse
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