2 Die Rinucci Brüder: Mein zärtlicher Verrführer
haben.
„Ah ja, das ist Primo“, sagte sie schließlich, nachdem sie wieder sprechen konnte. „Ich habe ihn noch nicht kennengelernt.“
Verzweifelt rang sie nach Fassung. Niemand durfte ahnen, wie erschüttert sie war. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Um den Aufruhr ihrer Gefühle zu überspielen, zauberte sie ein Lächeln auf die Lippen.
„Nein, ich kenne ihn nicht“, bekräftigte sie.
In gewisser Weise stimmte das sogar. Sie hatte geglaubt, diesen Mann zu kennen, aber sich getäuscht. Er war nicht der zuverlässige Freund, für den sie ihn gehalten hatte. Insgeheim hatte er sich über sie lustig gemacht. Er hatte sie ermutigt, sich ihm immer mehr zu öffnen und ihm zu vertrauen. Als sie sich daran erinnerte, was sie ihm alles anvertraut hatte, überlief es sie
abwechselnd heiß und kalt.
Am schlimmsten war, dass sie sogar geglaubt hatte, sich in ihn verlieben zu können. Für ihn war es jedoch nur ein Spiel gewesen. Er hatte sich die Zeit vertrieben und sich dabei blendend unterhalten. Sie beschloss, so rasch wie möglich nach England zurückzufliegen, die Firma zu verlassen und irgendwo zu leben, wo sie ihm nie wieder begegnen würde.
„Mama, du wirst in der Küche verlangt.“ Luke gesellte sic h wieder zu ihnen. „Es scheint wichtig zu sein.“
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er Olympia, als seine Mutter weg war.
„Natürlich“, behauptete sie betont fröhlich.
„Kommen Sie, wir trinken ein Glas Champagner, und ich stelle Sie den anderen vor.“
Ihre Gedanken jagten einander, während sie ihm folgte. Eigentlich war alles ihre eigene Schuld, denn sie hatte die ganze Zeit gespürt, dass etwas nicht stimmte. Zunächst hatte Primo Rinucci so getan, als wäre er der neue Sekretär. Das hätte man noch als kleinen Scherz hinnehmen können, wenn er es freiwillig zugegeben hätte. Aber erst als die neue Sekretärin erschienen war, war die Sache herausgekommen. Danach hätte ich auf der Hut sein müssen, dachte Olympia.
Stattdessen hatte sie ihm vertraut und sich eingeredet, es sei alles nur ein Spiel. Der Schmerz, den sie empfand, war so unerträglich, dass sie glaubte, daran zu zerbrechen.
Schweigend ging Luke neben ihr her. Er hatte das Foto und Olympias entsetzte Miene gesehen, und ihm wurde einiges klar. Sein Bruder hatte offenbar eine große Dummheit begangen.
Luke stellte sie seiner Familie vor: Hopes Mann Toni, seinen Brüdern und Tonis Eltern, die für einige Tage auf Besuch gekommen waren.
Olympias aufgesetztes Lächeln und ihre unnatürliche Ruhe beunruhigten ihn. In Italien war es nichts Besonderes, wenn man vor lauter Zorn mit Tellern um sich warf und die Leute anschrie. Damit konnte er umgehen. Dass Olympia sich aber so perfekt beherrschte und sich nichts anmerken ließ, bereitete ihm Unbehagen.
„Möchten Sie darüber reden?“, schlug er behutsam vor.
„Es gibt nichts zu reden.“
„Okay. Meine Familie ist von Ihnen begeistert, besonders meine Mutter.“
„Sie ist eine wunderbare Frau.“
Luke entschuldigte sich, weil er weggerufen wurde, und Olympia beschloss, Hope zu suchen. Zu ihrer Überraschung kam in dem Moment Primo herein. Hastig drehte Olympia sich um und hoffte, er hätte sie nicht bemerkt. Warum hatte er sie nicht angerufen und gesagt, dass er zurückkommen würde? Krampfhaft versuchte sie, sich zusammenzunehmen und ruhig zu bleiben. Es war wichtig für sie, die Situation zu beherrschen und sich unter Kontrolle zu haben, wenn sie ihm gegenüberstand. Hope umarmte Primo erfreut. „Du hast es doch noch geschafft! Ich habe schon befürchtet, du müsstest viel länger in England bleiben.“
„Ich habe alles im Eiltempo erledigt, weil ich so schnell wie möglich wieder hier sein wollte“, antwortete er wahrheitsgemäß, denn bei der Vorstellung, was alles während seiner Abwesenheit passieren konnte, war er ganz nervös geworden.
„Stell dir vor, Luke hat heute Abend eine ganz bezaubernde junge Frau mitgebracht“, erzählte Hope. „Sie ist die richtige Frau für ihn.“
„Dessen bist du dir sicher, obwohl du sie gerade erst kennengelernt hast?“ Primo sah sie lächelnd an. „Ja. Ich wusste es, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe.“
„Dann musst du sie nur noch davon überzeugen.“
„Damit habe ich schon angefangen. Ich habe ihr vorsichtig zu verstehen gegeben, ein langes rotes Kleid würde gut zu ihr passen. Und heute Abend trägt sie so ein Kleid. Sie will offenbar dasselbe wie ich.“
„Weißt du denn auch, was Luke
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