2 Die Rinucci Brüder: Mein zärtlicher Verrführer
Schlüsse zu ziehen. Die Wahrheit wurde mir praktisch ins Gesicht
geschleudert. Natürlich bin ich noch fassungslos, aber auch wenn man unter Schock steht, werden einem manche Dinge auf einmal völlig klar.“ Ihre Stimme klang höchstens leicht interessiert. Er verzog die Lippen. „Ich bin wohl derjenige, der unter Schock steht. Du scheinst dich erstaunlich rasch erholt zu haben.“
„Ich hatte ja auch etwas Zeit, mich zu erholen, nachdem deine Mutter mir dein Foto gezeigt hatte.“ Er nahm sich zusammen und versuchte, denselben belustigten, mäßig interessierten Ton
anzuschlagen wie sie. „In eine unerwartete Situation zu geraten kann eine echte Herausforderung sein. Man kann dabei einige angenehme Überraschungen erleben.“
„Oder einen schweren Schock erleiden“, entgegnete sie kühl. „Und schmerzliche Enttäuschungen erleben.“
„Ist es nicht etwas zu früh, von einer schweren Enttäuschung zu sprechen?“
„Das glaube ich nicht. Manchmal ist es angebracht, sich sofort ein Urteil zu bilden.“
„Und manchmal urteilt man zu vorschnell“, wandte er ein.
„Ja, die Erfahrung habe ich vor mehreren Jahren gemacht und geglaubt, sie nicht noch einmal machen zu müssen. Ich habe mich wohl geirrt.“
Er spürte, wie betroffen und verletzt sie war. „Ich bin nicht wie David“, flüsterte er.
„Stimmt. David war egoistisch und ein Geizkragen und einiges mehr, aber er war immerhin so ehrlich, sich mir mit seinem richtigen Namen vorzustellen.“
„Bitte, glaub mir, ich wollte dich nicht verletzen.“
„Das glaube ich dir sogar. Du hast überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob ich verletzt sein könnte oder nicht.“
„Das Essen ist aufgetragen. Kommt ihr?“, rief Hope Rinucci in diesem Moment von der Tür her. Primo sah Olympia fragend an. Doch in dem Moment erschien Luke neben ihr, und sie ging mit ihm. Obwohl ich nur wenige Tage weg war und die beiden kaum Zeit hatten, sich näher kennenzulernen, erwecken sie den Eindruck, ein Paar zu sein, überlegte Primo. Er versuchte, das Unbehagen zu ignorieren, das ihn plötzlich überfiel, und rang sich ein Lächeln ab, seiner Mutter und den anderen Gästen zuliebe.
Und dann saß er Olympia und Luke am Tisch auch noch gegenüber und musste mit ansehen, wie sie lachten, sich unterhielten und die Köpfe zusammensteckten. Natürlich ist es verständlich, dass Luke
von ihr fasziniert ist, ich bin es ja auch, sagte Primo sich. Noch nie hatte sie so schön ausgesehen. Doch sie hatte es nicht für ihn gemacht.
Nach dem Essen wurde getanzt, und die Männer rissen sich geradezu um sie. Ehe sie sie
aufforderten, blickten sie Luke fragend an, als gehörte sie zu ihm, und er nickte lächelnd. Dann ließ er sie nicht mehr aus den Augen und beobachtete sie wie ein besitzergreifender Ehemann. Primo hätte seinen Bruder am liebsten zusammengeschlagen, sich Olympia über die Schulter gelegt und sich mit ihr irgendwo versteckt, wo kein anderer Mann sie sehen konnte und er mit ihr allein war. „Sie ist eine wunderbare Frau“, stellte Luke fest und setzte sich neben seinen Bruder. „Ich kann mein Glück immer noch nicht fassen.“
„Seit wann kennst du sie?“ Primo bemühte sich um einen unverfänglichen Ton.
„Erst seit heute.“
„Wie bitte?“
„Sie hätte mich beinah mit dem Auto angefahren.“
„Willst du allen Ernstes behaupten, nach einem einzigen Tag …?“
„Warum nicht?“, antwortete Luke. „Sieh sie dir doch an. So eine Frau bringt doch jeden Mann um den Verstand.“
„Sei nicht so pathetisch.“
„Ich hatte ganz vergessen, dass du nicht an Liebe auf den ersten Blick glaubst. Es ist ein herrliches Gefühl, das kann ich dir versichern“, entgegnete Luke.
„Ja, das ist es“, stimmte Primo ihm leise zu.
„Du hast sie schon in England kennengelernt, oder?“, fragte Luke. „Was ist passiert?“
„Nichts.“
„Seltsam. Sie will auch nicht darüber reden.“
„Dann halt dich aus der Sache heraus“, forderte Primo ihn ruhig, aber nachdrücklich auf.
„Ah ja. Warum tanzt du nicht mit ihr? Ich habe bestimmt nichts dagegen.“
Primo warf ihm einen bösen Blick zu. Und da die Musik in dem Moment aufhörte zu spielen, lief er über die Tanzfläche, nahm Olympias Hand und sagte: „Lass uns tanzen.“
„Nein, den Tanz habe ich schon jemand anderem versprochen.“ Sie drehte sich zu einem seiner Onkel um, und der Mann strahlte vor Freude. Das wird er mir büßen, schwor Primo sich, obwohl ihm bewusst war, dass sein Onkel
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