2 ½ Punkte Hoffnung
wie Baby-Ich auf dem Sofa geweint hat und du brülltest: SEI STILL! UM GOTTES WILLEN, SEI STILL! Und wie ich nur lauter geweint habe? Und wie Tyler auf das Sofa geklettert ist, sich neben mich gelegt und geflüstert hat: ›Pssst, ist schon gut. Psst.‹ Wenn du das nicht mehr weißt, dann erzähle ich dir die Geschichte, die er mir erzählt hat, wann immer ich Angst hatte.
Ich legte das tropfende Maisbrot auf meinen Teller und starrte die Uhr an der Mikrowelle an. 5:42 Uhr. Vielleicht sollte ich eine Minute auf eine bessere Zahl warten. Bis dahin könnte ich ein paar Punkte berechnen: 20, weil ich mich elend fühle, 75, weil Mom mich auslachte, und 50, weil ich nicht widersprach.
»Hast du an diesem Wochenende irgendwas gelernt?«, fragte Mom.
Ich zögerte. »Ja.«
»Was denn?«
Das war schwierig. Ich hätte natürlich antworten können: ›Ich habe gelernt, dass du mal bei den Nazis Gefängniswärterin warst.‹ Stattdessen sage ich vorsichtig, um noch zwanzig weitere Punkte zu holen: »Dass ich die meiste Zeit den Mund halten sollte … und … dass ich eine halbe Flasche Putzmittel brauche, um mein ganzes Zimmer sauberzumachen.«
Ihre Augen bohrten sich in meine. Ich hielt den Atem an.
Witzig, Mom, bitte, finde mich witzig.
»Na«, sagte sie reichlich von oben herab, »dann denk einfach an dieses Wochenende, wenn du zur Schule und zurück läufst.«
Auf einer Wutskala von 1 bis 10 war sie jetzt wohl nur bei 2, deshalb stellte ich mein Glück auf die Probe. »Kann ich mein Taschengeld haben? Mein Zimmer ist total sauber.«
»Das heißt, die
ganze Woche
sauber, Hope, nicht nur für einen Tag. Und du musst die gesamte Woche spülen, von heute Abend an.«
»Tyler hat vorige Woche nicht abgewaschen, warum muss ich das dann tun?«
»Ich …«, fing Tyler an.
»Tyler geht jetzt auf die Highschool und bekommt jede Menge Aufgaben auf«, unterbrach ihn Mom und stand auf, was bedeutete, dass das Gespräch beendet war.
»Ich habe auch jede Menge Hausaufgaben zu erledigen.«
»Nicht quengeln, Hope«, mahnte sie und verließ die Küche.
Ende der Diskussion. Dreh dich um und verlass den Raum. Fünfzehn Punkte.
Tyler räumte schweigend ab und stapelte Teller und Schüsseln im Spülbecken aufeinander. Er wischte sogar den Tisch ab, dann warf er mir den Schwamm ins Gesicht.
»He!« Ich wischte mir das Gesicht an meinem Sweatshirt ab. »Musst du keine Hausaufgaben machen?«
»Ach ja, fast vergessen.« Er ging hinaus in den Flur. »Jede Menge.«
KAPITEL 10
Nr. 8726
Montag war der längste Tag. Ich konnte es nicht erwarten, nach Hause zu kommen, mir meine Kleider für So Gut
Wie Neu zu schnappen und zum Laden zurückzurennen. Ich dachte die ganze Zeit an alles, was ich gebügelt, aufgehängt und in meinem Schrank versteckt hatte. Ich konnte mich nicht auf Mathe konzentrieren, stattdessen stellte ich eigene Berechnungen an und zählte zusammen, was ich an meinen Kleidern und Schuhen, zwei Gürteln, einer Wollmütze und einem Paar Fäustlingen verdienen würde.
»Woran haben sich Hass und Intoleranz gegenüber den Juden gezeigt?« Bei Mr. Hudsons Worten fühlte ich mich schuldig, weil ich mein Geld gezählt hatte, während den Holocaustopfern alles weggenommen worden war. Augenblicklich befand ich mich in D AS L EBEN IST SCHÖN und dem Konzentrationslager und feuerte Giosué und sein Punktesystem an.
Brody fielen das Schild im Schaufenster der Bäckerei und das an Guidos Buchladentür ein.
»Richtig«, bestätigte Mr. Hudson. »Aber nicht alles wird geschrieben. Denkt mal daran, wie es ist, wenn Osterglocken blühen. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass der Frühling bald kommt.«
»Wie ein Stichwort«, sagte Annette.
Mr. Hudson nickte. »Welche Anzeichen gab es dafür, dass den Juden Schlimmes bevorstand?«
»Die Nazis, die in die Stadt einmarschierten?«, fragte Peter.
»Ja«, sagte Mr. Hudson. »Und was ist mit den beiden Männern, die Guido aus dem Buchladen holen und zu einem städtischen Beamten bringen?«
»Ja.« Das war wieder Peter. »Und der eine Typ, der seine Zigarette an Guidos Fenster ausdrückt.«
»Gut beobachtet, Peter. Und wenn ihr nur ein Wort benutzen dürftet, um zu sagen, wovon dieser Film handelt – welches Wort wäre das?«
Ich hörte »Rassismus«, »Mut«, »Überleben«, »Tapferkeit« und »Holocaust«. Ich dachte an Guidos Frau, Dora (die ›Principessa‹
,
wie er sie nannte), die keine Jüdin war, die zum Bahnhof rannte und darauf bestand, in den überfüllten Güterwagen
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