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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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habe mich noch nie mit Nekromantie beschäftigt. Aber jetzt habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren...«
    »Dann haben Sie genau das Richtige getan, als Sie nach Prag gekommen sind. Hier kennt man sich mit Nekromantie aus, und Sie werden so viele Experten finden, wie Sie brauchen ... Aber leider sind sie alle Theoretiker geblieben, und Sie wissen natürlich ganz genau, weshalb.«
    Edgar wusste in der Tat, warum.
    Weil die Inquisition seit der Unterzeichnung des Großen Vertrages nur zweimal eine Rematerialisierung sanktioniert hatte, und beide Male nur vorübergehend. Weil das Tribunal Zeugen vernehmen musste. Mitunter gibt es also die Möglichkeit, einen dematerialisierten Anderen aus dem Zwielicht zurückzuholen. Das wurde zweimal getan, aber nach dem Verhör wartete auf die Anderen wieder das Zwielicht.
    Edgar glaubte nicht, dass ein Magier vom Niveau eines Fafnir sich nicht prophylaktisch um ein Schlupfloch zur Rematerialisierung gekümmert hatte. Er musste es geradezu tun, sobald er ein bestimmtes Niveau erreicht hatte. Nebenbei bemerkt hoffte Edgar, auch selbst einmal diese Stufe zu erklimmen. Mit nicht weniger Berechtigung hoffte er übrigens auch, nicht dematerialisiert zu werden, doch das Leben gebärdet sich so seltsam, dass es einem immer wieder die komischsten Überraschungen bereitet. Vor allem unter den Bedingungen eines anhaltenden Krieges.
    »Kommen Sie hierher.« Der Vampir wies auf die Tische. »Ich bringe Ihnen gleich die Bücher. Ich vermute, Sie interessieren sich keineswegs für die Legenden der Menschen, sondern für die Chroniken der Anderen. Das stimmt doch, oder?«
    »Ja, natürlich, verehrter Kollege. Natürlich.«
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Der Vampir kam in der Tat schnell zurück. Offenbar arbeitete er schon so manches Jahrzehnt als Hüter der Bibliothek und kannte seine Bücher aufs Trefflichste.
    »Bitte schön«, sagte er und legte zwei Werke auf den Tisch. Bei dem einen handelte es sich um einen alten, in matt gewordenes braunes Leder gebundenen Folianten, das Necronomicon in der Übersetzung von Gerhard Küchelstein. Das zweite Buch war kleiner und wirkte bescheidener. In der Mitte der Seite prangte in Schnörkelschrift der Titel Lebensbeschreibung und Erklärung der ruhmreichen Taten sowie der Prophezeiungen und der unzähligen beispiellosen Entdeckungen des Großen Dunklen Magiers, welchselbiger den Anderen unter dem Namen Fafnir oder Zwielichtdrache wohlbekannt ist von Johann Jetzer, Urmongomod. Anscheinend das Original.
    Der Titel des Buches von Jetzer-Urmongomod dürfte vermutlich weit archaischer gewesen sein, doch Edgar war des Althochdeutschen nicht mächtig und musste durchs Zwielicht lesen, wobei stilistische Besonderheiten geglättet und der Text nivelliert, dafür jedoch weitaus verständlicher wurde.
    Die Taten des Fafnir las Edgar kursiv. Wie zu erwarten, interpretierte dieser Foliant die Ereignisse deutlich anders als die Edda oder das Nibelungenlied. Zum einen waren natürlich sowohl Sigurd (alias Siegfried alias Sirvit) wie auch Regin, Hreidmar und Fafnir selbst Andere. Natürlich war Hreidmar nicht der biologische Vater von Fafnir und Regin nicht sein Bruder. Durch eine lange und sorgfältig eingefädelte Intrige stiftete Sigurd Unfrieden unter den Dunklen Magiern und vernichtete sie alle -manche durch fremde Hand, manche durch die eigene. Selbstverständlich hatte es Sigurd nicht auf irgendwelche Schätze, wertloses Metall oder funkelnde Steine die Übrigen machten Jagd auf das Erbe des Zwergs Andwari, doch worum es sich dabei handelte, ging aus der Arbeit Jetzers nicht hervor. Vielleicht um alte und mächtige Artefakte, vielleicht einfach um bestimmte Kenntnisse (zum Beispiel in Form von Büchern). Sigurd tötete am Ende jedenfalls alle und brachte Andwa-ris Erbe in seinen Besitz. Was dann weiter geschah, konnte Edgar nirgends herausfinden. Fafnir hatte Sigurd als Vorletzten besiegt, vor Regin. Offenbar konnte Fafnir trotz allem bestimmte Geheimnisse mit ins Zwielicht retten, doch das hat die Magier jener Zeit wenig geschert, die weder an Verträge noch Bestimmungen gebunden waren und ohne jede Rücksicht auf die Inquisition handeln konnten, da diese damals noch gar nicht existierte.
    Das Wichtigste, was Edgar erfuhr, war, dass Fafnir über einige vergessene Kenntnisse im Bereich der höchsten Kampfmagie verfügte (was ihm freilich im Duell mit dem arglistigen Sigurd kaum geholfen hatte), die er mit ins Zwielicht genommen hatte. Folglich konnte

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