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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wundern.
    »Ja«, antwortete Edgar. »Vielen Dank.«
    Er ging zur Tür, ohne über irgendetwas nachzudenken. In seinem Kopf hatte sich schallende Leere ausgebreitet.
    Sebulon hatte ihn also ausgewählt wie eine Kuh fürs Weihnachtsschaschlik. Denn er brauchte einen relativ starken Magier aus dem Baltikum. Hatte ihn zu sich gerufen und beschützt. Hatte ihm für kurze Zeit das Kommando übertragen - und zwar nicht über irgendwen, sondern über die Moskauer Wache. Aber im Grunde bist du die Kuh. Zur rechten Zeit wirst du abgeschlachtet. Er hat dich benutzt wie einen Gegenstand. Jetzt tauscht er dich ab wie eine Figur.
    Denn das Spiel ist endlos, auch wenn die Figuren nur vorübergehend auf dem Brett bleiben.
    Und dann? Wenn die Zeit kommt, erscheint auf dem Spielfeld eine neue schwarze Dame. Bringt es dem Offizier, der so schnell von der Peripherie nach vorn geschoben worden ist, dann wirklich nichts mehr, mit den Armen zu rudern und sich an der glatten Oberfläche des Spielfelds festzuklammern?
    O nein! Vielleicht bin ich keine Dame, dachte Edgar bei sich, der jetzt langsam zu kochen anfing. Aber auf alle Fälle bin ich auch kein Bauer. Ich will nicht einfach so vom Brett genommen werden. Ich wehre mich. Und wenn mir das gelingt, werde ich halb Europa vor Schwierigkeiten bewahren.
    Schließlich gibt es noch die Inquisition. Etwas sagte Edgar, dass die Träger der grauen Kittel sich kaum über ein neuerliches Auftauchen des Zwielichtdrachen freuen würden.
    Das vorweihnachtliche Prag schien irgendwie verschwunden zu sein, zur Seite getreten, verblasst. Edgar nahm sich ein Taxi und fuhr in das Hotel, in das er jetzt musste. Unterwegs sah er nicht einmal aus dem Fenster. Geistesabwesend bezahlte er schließlich und marschierte ins Foyer. So wie er den Hotelportier ansah, wäre der vermutlich glücklich gewesen, wenn sich der Granitboden unter ihm aufgetan hätte.
    Raschen Schrittes ging Edgar zu den Fahrstühlen, sodass in seinem Rücken der offene Mantel fast hochwehte. Er schoss auf das Zimmer zu, das ihm der Instinkt eines Anderen genannt hatte.
    Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Und schluckte krampfhaft.
    Aus der Bar kamen gerade die »Finnen«, die Regin-Brüder. Alle vier. Vier, und nicht drei - zu dem Chinesen, dem Afrikaner und dem Slawen hatte sich der echte Finne hinzugesellt, den alle für tot hielten.
    Doch der Finne war gesund und munter.
    Na klar, weshalb hätte Geser einen Zeugen umbringen sollen?
    Vermutlich überkommen einen Künstler die unterschiedlichsten Gefühle, wenn er das letzte Stückchen Glas in das nunmehr vollständige Mosaik einpasst. Aber was sollte derjenige machen, für den sich die Glasscherben des Mosaiks zu den trockenen Worten eines Urteils zusammenfügen?
    »Bruder!«, wandte sich einer der »Finnen« feierlich an Edgar. »Wir möchten dir und der Tagwache Moskaus für die Unterstützung danken. Kommst du mit uns? Wir begießen die Rettung unseres Bruders Pasi, den alle für tot gehalten haben.«
    Der echte Finne lächelte gequält, und seine Miene brachte deutlich zum Ausdruck, wie sehr ihn die Sorge seiner Gefährten rührte.
    »Herzlichen Glückwunsch ...«, sagte Edgar tonlos. Obwohl zum Gratulieren eigentlich kein Anlass bestand - alle vier würden bei der Auferstehung Fafnirs unweigerlich sterben.
    »Mein Dunkler Bruder.« Als der Magier Edgars Zögern bemerkte, drang er nicht weiter in ihn ein. »Du weißt nicht zufällig ... warum dieser Lichte, der ebenfalls angeklagt ist... warum er uns die vier Pferde genannt hat?«
    Seine Gefährten nickten unisono und empört.
    »Das kann man wohl nicht als unbegründete Beleidigung betrachten?«, hakte der Anführer der Regin-Brüder nach.
    »Nein«, antwortete Edgar. »Das ist schlimmer als eine Beleidigung. Das ist die Wahrheit.«
    Darauf stürzte er zum Fahrstuhl.

Sechs
    Anton kapitulierte gegen Mittag. Trotz der bemerkenswerten Fähigkeit von Alkohol, die Fantasie anzuregen, rührten Igor und er keinen Wodka mehr an. Schon von Kaffee wurde ihm übel. Das hervorragende tschechische Bier wollte er auch nicht.
    Igor stand am Fenster mit einem Glas Trinkjoghurt von Danone in der Hand und wies mit einem Kopfschütteln einen weiteren Vorschlag Antons zurück. »Was du nur für Ideen hast! Was soll ich schon für ein Drachentöter sein? Und haben wir die Version mit Fafnir nicht schon längst ad acta gelegt?«
    »Und wenn sie doch stimmt?«
    »Ändert das auch nichts. Hier geht es um einen Kampf von Magiern, nicht um ein Duell

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