2 - Wächter des Tages
doch?«
»Offensichtlich ...« Anton breitete die Arme aus. »Ich weiß nur, dass Geser ihn im Zwielicht verfolgt und erwischt hat...«
»Ja, gewiss ... Weshalb hätte er einen Verdächtigen umbringen sollen? Er hat ihn der Inquisition übergeben. Vermutlich gleich da, im Zwielicht. Anton ... ob wir vielleicht doch Recht haben?«
»Ist der Fusel doch nicht ganz raus?«, wollte Anton wissen.
»Nein, nein ... der ist draußen«, seufzte Igor. »Und richtig trinken kann ich jetzt auch nicht mehr! Ein verfluchter Mist ist das! Sebulon wird doch einen verrückten alten Magier nicht aus dem Zwielicht holen. Was sollte er mit diesem Prachtburschen schon anfangen? Und weshalb sollte er das Ende der Welt herbeiführen, indem er einen Antichrist schafft...«
»Und Fafnir selbst reißt sich auch nicht um diese Aufgabe«, erklärte Anton. »Ganz bestimmt nicht. Dazu fehlt es ihm an Mumm.«
»Dann ist also alles, was wir uns überlegt haben, Müll?«
Anton sah auf das Blatt Papier, auf dem Fettflecken von der Wurst und feuchte Kreise von den Gläsern prangten. Wann hatten sie es denn geschafft, alles so einzusauen - sie waren doch eigentlich ganz manierlich gewesen?
»Was Swetlana angeht, nicht, fürchte ich. Aber der Rest... Warum haben wir uns so in die Zahl achtundachtzig verbissen? Was ist denn an ihr so geheimnisvoll?«
»Sie ist ... so rund, du kannst sie von beiden Seiten lesen ...« Igor winkte mit der Hand ab und lachte. »Ja, du hast Recht. Betrunkenes Gequatsche.«
Anton hob einen Marker auf, der heruntergefallen war. Er strich den Kreis mit der Beschriftung Regin-Brüder durch. »Sie sind raus aus dem Spiel«, sagte er. »Allem Anschein nach haben sie ihre Mission erfüllt, nämlich den Spiegel mit Kraft zu versorgen. Worum wir uns jetzt kümmern sollten, Igor...«
Igor sah den Kreis mit seinem eigenen Namen an. »Ich wäre froh, wenn ich daran glauben könnte, eine besondere Mission zu haben«, seufzte er. »Daran, dass ich Sebulon und der Tagwache die Suppe gehörig versalzen habe. Aber...« Hilflos breitete er die Arme aus.
»Igor, du bist der Schlüssel zu allem«, meinte Anton. »Verstehst du das? Wenn wir herausfinden, warum Sebulon versucht hat, dich aus dem Weg zu räumen, um etwas gegen Swetlana zu unternehmen, dann werden wir siegen. Wenn wir es nicht herauskriegen, geht die Partie an ihn.«
»Es gibt noch Geser. Soweit ich es verstanden habe, kommt er heute Morgen hierher.«
»Besser wäre es, wenn wir ohne ihn dahinter kämen.« Anton entging nicht, dass in seiner Stimme ein Hauch von Ärger mitschwang. »Seine ... seine Entscheidungen sind zu global.« Edgar goss sich den schalen Sekt ein, der vom Vorabend übrig geblieben war, trank ihn und runzelte die Stirn. Nur Aristokraten trinken gern Sekt zum Frühstück, dachte er. Oder Degenerierte. Na, mit einem Aristokraten hast du jedenfalls keine Ähnlichkeit, mein Guter...
Die seltsame Angewohnheit eines Wächters, in jeder Lebenssituation über Probleme nachzudenken, behielt Edgar selbst während nächtlicher Ausschweifungen bei. Auch in der letzten Nacht hatte Edgar weiter darüber gegrübelt, was die beiden Chefs der Moskauer Wachen dieses Jahr zu Weihnachten planten ... Was ihn freilich nicht daran gehindert hatte, dem Akt Vergnügen abzugewinnen.
Also, dachte Edgar. Was haben wir denn? Am besten, ich nehme mir alles häppchenweise vor. Alles, bis zum letzten Detail.
Welchen Nutzen kann Sebulon aus der derzeitigen Situation ziehen? Ich müsste mir in Gedanken ein Modell von ihr machen.
Das Tribunal, zu dem beide Wachen jemanden schickten. Nicht die besten Kräfte, aber auch nicht die schlechtesten. Zwei Magier, beide unter den ersten Zehn. Edgar und Anton. Es würden noch Beobachter kommen, daran dürfte kaum zu zweifeln sein. Ebenfalls dürfte außer Frage stehen, dass während der Sitzung des Tribunals keine der beiden Seiten etwas unternehmen würde - alle würden versuchen, bei der gleichgültigten und unparteiischen Inquisition einen Vorteil für sich herauszuschlagen.
Aber war sie so unparteiisch? An ihrer unparteilichen Einstellung zweifelte Edgar nicht im mindesten. Dazu hatte er bereits zu lange in der Welt der Anderen gelebt. Nicht einmal - nicht ein einziges Mal - hatte ihn auch nur die Spur eines Zweifels am Handeln und Verhalten der Inquisition beschlichen. Die Diener des Großen Vertrages blieben stets kalt und entschlossen. Jemand hatte einmal völlig richtig bemerkt, die Inquisition urteile nicht über Recht und Schuld,
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