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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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soll ich, Effendi? Siehst du etwas?“
    „Ja. Hier liegt das Vieh.“
    „Also habe ich getroffen?“
    „Ja.“
    „Tot?“
    „Mausetot!“
    „Hamdullillah! Ich habe den Gedd ei Isman (Großvater der Zähne), den schrecklichen Würger der Herden, erlegt. In allen Zelten wird mein Ruhm erschallen, und an allen Lagerplätzen wird man meine Ehre singen!“
    „Juble nicht zu früh! Es ist nämlich kein Er, sondern eine Sie.“
    „Kein Löwe, sondern eine Löwin?“
    „Nein; es ist kein Abu er Rad, sondern eine Omm es Ssanne (Mutter des Gestankes), die du erschossen hast. Sie hat Hunger gehabt und ist betteln gekommen; du aber bist so unbarmherzig gewesen, ihr anstatt Fleisch eine Kugel zu geben.“
    Er hatte mich erreicht und sah das Tier liegen.
    „Eine Hyäne!“ rief er beschämt aus. „Allah vergesse diesen Tag! Wie konnte dieses Tier sich für einen Löwen ausgeben? Wie konnte es sich den Schein geben, als ob es ein Vater des Donners sei? Mohammed, der Prophet der Propheten, mag die Seele dieser Hyäne ergreifen und die Lügnerin dahin verdammen, wo der Gestank der Hölle am widerwärtigsten ist!“
    „Nicht sie, sondern dein Auge hat dich getäuscht. In der Nacht erscheint alles größer; daran hättest du denken sollen, bevor du schössest!“
    „Hasreta – jammerschade! Nun werden die Stimmen, auf welche ich mich freute, in allen Zelten und auf allen Lagerplätzen schweigen!“
    „Nein; sie werden nicht schweigen, sondern das Lob des großen Helden verkünden, welcher nicht davonlief, als er die Hyäne für einen Löwen hielt.“
    „Du willst meiner noch spotten, Sihdi? Das vergrößert die Tiefe meiner Wehmut und verzehnfacht die Verdopplung meines Schmerzes! Ich wollte ein Held sein und bin dadurch zum Sattel geworden, auf welchem dein Hohn spazierenreitet. Meine Söhne werden mich bejammern und meine Töchter mich beklagen; meine Enkel schütteln die Köpfe, und die Nachkommen meiner Urenkel verhüllen vor mir ihre Angesichter! Ich möchte vor Gram sterben, wenn ich nicht am Leben bliebe, und mich vor Scham erschießen, wenn dies nicht ein Selbstmord wäre! Du aber laß deine Stichelreden schweigen, und denke daran, daß es auch für dich möglich ist, einen Löwen zu schießen, der sich, nur um dich zu ärgern, in eine Mutter des Gestanks verwandelt!“
    „Nein, daran denke ich nicht, lieber Halef, denn ich weiß, was du nicht zu wissen scheinst, daß die Dunkelheit der Nacht alle Gegenstände vergrößert. Wenn du auch fernerhin vergißt, dies in Betracht zu ziehen, werden deine Augen sich schließlich gewöhnen, eine Fingereidechse für ein Krokodil zu halten!“
    „Ist dein Zorn denn gar so groß, daß du dich nicht anders vor ihm zu retten vermagst als dadurch, daß du mir Krokodile an den Kopf wirfst? Hat dich der Irrtum meines Auges so schwer beleidigt, daß du mir nicht zu verzeihen vermagst?“
    „Von Beleidigung kann keine Rede sein, aber von Verzeihung doch. Du hast einen Fehler begangen, der mich zu dir zurücktrieb, grad als das Gespräch der Perser den höchsten Grad von Interesse für mich gewonnen hatte.“
    „W' Allah! Das bedaure ich! Es ist dir also gelungen, unbemerkt an sie zu kommen?“
    „Ja.“
    „Und sie zu belauschen?“
    „Auch das.“
    „Wer waren sie; was waren sie; woher kommen sie; was wollen sie; wovon haben sie gesprochen?“
    „Um das von mir zu hören, hättest du ihr Gespräch nicht durch deinen unglücklichen Schuß unterbrechen sollen. Ich will den Umstand, daß sie nun auf uns aufmerksam gemacht worden sind, gar nicht in Betracht ziehen; aber du hast mich durch deine Unvorsichtigkeit und Schnelligkeit, welche dir von deiner Hanneh verboten worden ist, um die Erforschung eines Geheimnisses gebracht, dessen Kenntnis uns für unsere Reise durch Persien wahrscheinlich von Wichtigkeit geworden wäre. Ich kann das nicht bestimmt behaupten, aber ich habe das Gefühl, daß es so ist.“
    „Sag, Sihdi, welches Geheimnis war es?“
    „Eben das kann ich dir nun nicht sagen, weil ich es nicht erfahren habe. Aber komm zum Feuer zurück; wir müssen nachlegen, sonst geht es aus!“
    „Wollen wir es nicht der Perser wegen lieber auslöschen, damit sie uns nicht finden?“
    „Nein. Nun sie einmal wissen, daß jemand hier ist, mögen sie auch erfahren, daß es Leute sind, von denen sie nichts zu befürchten haben. Wir wollen uns ihnen zeigen.“
    „Werden aber auch sie sich freundlich gegen uns verhalten?“
    „Ich wollte ihnen das Gegenteil nicht

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