20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
mehr überrascht werden.“
„Und Eure Feigheit? Wir haben vor, unser Leben zu wagen; dazu seid Ihr nicht der passende Mann.“
„Ich wage es!“
„Fällt Euch nicht ein! Und die List, die Geistesgegenwart, auf die es hier vor allen Dingen ankommt! Ihr habt bewiesen, daß von beiden bei Euch keine Spur vorhanden ist.“
Er wollte seine Bitten und Versicherungen fortsetzen; ich verbot es ihm und wendete meine Aufmerksamkeit wieder den Indianern zu, deren Beratung jetzt zu Ende war. Sie kamen in Bewegung; der Kreis löste sich auf, und nun sahen wir, daß innerhalb desselben mehrere Menschen gelegen hatten, welche nicht aufstehen konnten, also wohl gefesselt oder gar tot waren. Sie wurden aufgehoben und auf Pferde gebunden; dann ordneten sich die Roten zu einem Zug, welcher sich in nördlicher Richtung in Bewegung setzte, also so, wie ich vermutet hatte, denn dort lag der Fluß. An der Spitze ritt ein alter Häuptling. Er war zwar zu weit von uns entfernt, als daß ich sein Gesicht erkennen konnte, aber ein Häuptling war er, weil er die Federn trug, und alt mußte er sein, weil sein hinten lang abfallendes Haar von grauer Farbe war.
In der angegebenen Richtung gab es wieder Wald, unter dessen Bäumen sie verschwanden. Der Vorsicht halber warteten wir noch einige Zeit; dann begaben wir uns nach dem Ort, an welchem sie die Beratung gehalten hatten.
Es war dort von einem eigentlichen Spurenlesen keine Rede, denn der Boden war so zertreten und zerstampft, daß man Einzelheiten gar nicht unterscheiden konnte. Hier mußten die Weißen überfallen worden sein. Sie hatten sich gewehrt, denn wir entdeckten Blutspuren. Das war schlimm, sehr schlimm für sie und auch uns höchst unlieb, weil es uns zum schnellen Handeln zwang und wir also nicht erwarten konnten, bis sich uns eine günstigere Gelegenheit als hier und heute bieten würde.
Es galt vor allen Dingen, den Indianern zu folgen. Wir taten dies, aber nicht direkt, sondern wir machten einen Bogen nach dem Wald und suchten erst dann, als wir ihn erreicht hatten, die Stelle auf, an welcher sie in ihn eingedrungen waren. Von hier aus durften wir uns ohne allzu große Gefahr auf ihrer Fährte halten; der Sicherheit wegen aber stieg ich aus dem Sattel und ging, den andern vielleicht fünfzig Schritte voran, mitten auf der sehr gut ausgetretenen Spur weiter. Meine Schritte verursachten kein Geräusch, während meinem Auge und Ohr auf eine mich sicherstellende Entfernung hin nichts entgehen konnte. Es läßt sich denken, daß unser Vordringen ein langsames war, doch konnten wir dies nicht ändern. Möglich, daß für die Weißen große Gefahr im Verzuge war, aber wir konnten sie doch auch nicht dadurch retten, daß wir uns selbst preisgaben.
So verging Stunde um Stunde; es wurde Nachmittag und wenn ich bisher für die Gefangenen sehr gefürchtet hatte, so begann ich jetzt, wieder Hoffnung zu schöpfen. Wenn die Indianer so spät an ihren Lagerplatz gelangten, fanden sie heute keine Zeit mehr, die Bleichgesichter unter Einhaltung der gewohnten Gebräuche hinzurichten; sie mußten dies bis morgen hinausschieben, und am Abend und während der Nacht gab es dann Zeit und wohl auch Gelegenheit, den Mord zu verhindern. Am meisten erhoffte ich von dem Umstand, daß die Comanchen von unserer Anwesenheit keine Ahnung hatten. Sie befanden sich auf ihrem Gebiet; sie wußten, daß dies jetzt von jedermann, der nicht zu ihnen gehörte, gemieden wurde, und so stand zu erwarten, daß sie strenge Sicherheitsmaßregeln für überflüssig halten würden.
Wir hätten den Fluß eigentlich schon längst erreicht haben müssen, aber er bildete gerade hier einen weiten Bogen, auf dessen innerer Seite wir uns befanden, und erst gegen Abend mehrten sich die Anzeichen, daß wir uns dem Wasser näherten. Nun bewegten wir uns noch langsamer vorwärts als bisher, und das war gut, denn bald hörte ich eine rufende Stimme, welcher eine andere antwortete. Wir waren in der Nähe der Comanchen angekommen, und ich huschte zu meinen Gefährten zurück, um sie anhalten zu lassen und für uns ein Versteck zu suchen.
Es war bald ein passender Ort gefunden, wo wir die Pferde und auch Perkins anbanden. Dieser Mann war uns, wie wohl eigentlich gar nicht erwähnt zu werden braucht, außerordentlich hinderlich; er erschwerte uns alles; wie aber hätten wir uns seiner entledigen können, ohne härter zu sein, als unumgänglich nötig war, oder ohne uns durch ihn in Gefahr zu bringen? Er hatte uns zwar seine
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