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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gelungen wäre, so hättet Ihr heut Euern letzten Tag erlebt.“
    „Glaubt Ihr denn wirklich, daß sie mich getötet hätten?“
    „Ohne alle Gnade und Barmherzigkeit.“
    „Sind das schreckliche Menschen! Bei uns wohnen doch auch halbwilde Völker, vor denen man sich in acht zu nehmen hat; aber so blutgierig wie die Indianer sind sie doch nicht!“
    „Da irrt Ihr Euch!“
    „Irren? Schwerlich!“
    „Ich kann Euch mit meinen eigenen Erfahrungen das Gegenteil beweisen. Wie oft ist mir im Orient nur deshalb nach dem Leben getrachtet worden, weil ich kein Moslem war. Ich hatte diesen Leuten nicht das mindeste getan, sie mit keinem Worte beleidigt. Der Indianer aber kennt gar keinen Religionshaß und ist nur deshalb der Feind der Weißen, weil diese mit unversöhnlicher Feindschaft an seinem Untergange arbeiten. Er wehrt sich seines Lebens; das ist alles.“
    „So sagt, was habe denn grad ich diesen Comanchen getan?“
    „Wohl nichts?“
    „Nein!“
    „Das denkt Ihr nur. Erstens seid Ihr ein Weißer, also ein Feind von ihnen. Wie Ihr persönlich zu ihnen steht, danach fragen sie nicht. Sodann reist Ihr jetzt durch ihr Gebiet, ohne zu fragen, ob es ihnen recht ist oder nicht.“
    „Was können sie dagegen haben?“
    „Etwa nichts? Darf ich zum Beispiel in Persien so reisen, wie Ihr es hier tut?“
    „Natürlich!“
    „Natürlich? Lagern und schlafen, wo ich will? Mich ernähren, wie ich will? Rinder, Hirsche und dergleichen schießen, wie es mir beliebt? Den rechtmäßigen Besitzern des Landes die Nahrung wegnehmen, ohne daß sie etwas dagegen tun oder sagen dürfen?“
    „Hm!“
    „Ja, hm! Hat nicht schon an Eurer Grenze jeder Scheik das Recht, von jedem Fremden, der durch sein Gebiet will, eine Abgabe, einen Tribut zu verlangen?“
    „Das ist richtig.“
    „Wenn hier ein Häuptling so etwas forderte, bekäme er anstatt der Zahlung eine Kugel. Die Roten zählten einst nach vielen, vielen Millionen, und das ganze weite Land, der ganze Kontinent war ihr Eigentum. Aus diesen Millionen ist ein armseliges Häuflein geworden, welches nur nach Tausenden zählt und ohne alles Erbarmen von Stelle zu Stelle gejagt und verjagt wird. Wer ist da der Grausame, der Blutdürstige – der Rote oder der Weiße?“
    Der Perser schwieg, aber der an meinem Steigbügel hängende Comanche, welcher meine Rede leidlich verstanden haben mochte, rief aus:
    „Uff, uff! Das sagt Old Shatterhand, obgleich er ein Bleichgesicht ist!“
    „Ich habe es stets gesagt.“
    „So bist du ein wahrer Freund aller roten Männer!“
    „Ja das bin ich, und ihr tätet besser, mich und diejenigen, die bei mir sind, mit eurer Verfolgung und euern Wortbrüchen zu verschonen.“
    „Ich möchte das meinen Kriegern sagen; aber ich weiß nicht, ob ich zu ihnen zurückkehren darf. Wird Old Shatterhand mich töten?“
    „Nein.“
    „Mich freilassen?“
    „Ja. Du sollst dabei sein, wenn ich nachher mit euerm Häuptling rede. Ist das geschehen, so gebe ich dich frei, damit du den Kriegern der Comanchen sagen kannst, was ich zu To-kei-chun gesprochen habe.“
    Wir waren indessen in der Nähe der Stelle angekommen, an welcher ich die Gefährten zurückgelassen hatte. Da es hier bei Nacht und auf der offenen Prärie keinen Punkt gab, nach dem ich mich richten konnte, so pfiff ich laut; es wurde mir geantwortet; ich hatte die Richtung genau eingehalten. Die Stimme Jims schallte mir entgegen:
    „Halloo, Sir! Pfeift Ihr, oder pfeift etwa ein anderer?“
    „Ich bin es. Wer sollte sonst hier pfeifen?“
    „Die Patti nicht; das ist wohl wahr. Habt Ihr – – – ah, das sind ja drei Personen anstatt einer! Ist – ist – ist die Sache – – –“
    „Ich bin frei!“ unterbrach ihn Dschafar, indem er vom Pferd sprang. „Mr. Shatterhand hat mich herausgeholt!“
    „Alle Wetter! Das ist nun wieder so ein Streich! Und wer ist der dritte Gentleman? Ein Roter? Ein Comanche? Das ist ja weit mehr, als man erwarten konnte! Meinst du nicht auch, alter Tim?“
    „Yes“, antwortete sein Bruder. Aber ganz entgegen seiner sonstigen lakonischen Weise fügte er dieses Mal hinzu: „So ein Streich ist großartig zu nennen, rein großartig. Ich gestehe, daß mir der Verstand darüber stillstehen will!“
    „Stillstehen? Well, das ist gut; das ist viel besser, als wenn er dir davonlaufen wollte. Das müßte ich mir verbitten, denn einen Bruder Snuffle ohne Verstand, das wäre für mich keineswegs das höchste der Gefühle.“
    Ich war indessen auch

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