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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Du wirst mit uns reiten, natürlich auf das Pferd gefesselt, deine Krieger werden uns nicht folgen, sondern deine Rückkehr hier erwarten. Sobald ich bemerke, daß sie uns nachkommen, wirst du erschossen.“
    „Uff! Sie werden nicht bleiben wollen!“
    „Sie werden bleiben müssen, denn du wirst es ihnen befehlen.“
    „Sie werden nicht gehorchen!“
    „Hat To-kei-chun, der oberste Häuptling der Comanchen, kein Ansehen bei seinem Volk und keine Macht über seine Krieger?“
    „Sie werden gegen meinen Willen handeln, weil sie glauben, ich befinde mich in Gefahr.“
    „Du und ich, wir beide werden ihnen sagen lassen, daß dies nicht der Fall ist.“
    „Wer soll es ihnen sagen?“
    „Hier dieser Krieger, den ich deshalb mitgebracht habe.“
    „Uff! Du wirst ihn freigeben?“
    „Ja. Ich habe ihn aus keinem andern Grund, als nur zu diesem Zweck mitgebracht. Wir werden jetzt sofort aufbrechen; vorher aber nehme ich deine Medizin zu mir.“
    „Uff! Was willst du mit ihr tun?“
    „Sie gut aufbewahren, weiter nichts. Wenn ich mit dir zufrieden bin, bekommst du sie wieder und darfst zu den Deinen hierher zurückkehren. Handelt ihr aber nicht nach meinem Willen, so wirst du erschossen und deine Medizin vernichtet; ich verbrenne sie.“
    Er schwieg; darum fragte ich ihn:
    „Hast du meine Worte gehört?“
    „Ja.“
    „Was sagst du darauf?“
    „Was tust du, wenn ich nicht auf deinen Willen eingehe?“
    „Sonderbare Frage! Kannst du überhaupt nicht darauf eingehen? Bist du nicht mein Gefangener, den ich zwingen kann? Old Shatterhand gibt dir jetzt sein Wort, daß du nach drei Tagen mit deiner Medizin hierher zurückziehen darfst. Glaubst du, daß ich mein Versprechen erfülle?“
    „Ja. Old Shatterhand lügt nicht.“
    „Gut! Dafür befiehlst du deinen Kriegern durch diesen Boten hier, daß sie uns nicht folgen, sondern hier bleiben, um auf dich zu warten. Wenn du darauf eingehst, wird dir nichts geschehen. Weigerst du dich, diesen Befehl zu erteilen, so warte ich gar nicht, was meine Gefährten mit dir tun werden, sondern ich gebe dir selbst die tötende Kugel aus meinem eigenen Gewehr. Nun sprich! Ich habe keine Zeit, zu warten.“
    Er zögerte. Da hielt ich ihm die Mündung des Stutzens an den Kopf und befahl ihm:
    „Antworte, sonst schieße ich! Ich sage es nicht noch einmal. Eins – zwei – – –“
    „Uff! Nimm das Gewehr weg! Du wirst dein Wort wirklich halten und mich mit meiner Medizin zurückkehren lassen?“
    „Ja.“
    „Was werden die andern Bleichgesichter tun? Dir glaube ich; aber werden sie sich nach deinem Willen richten?“
    „Ich verspreche dir, daß ich demjenigen von ihnen, der gegen mein Versprechen handelt, eine Kugel durch den Kopf jagen werde.“
    „Ich glaube dir! Laß es uns mit der Pfeife des Friedens bekräftigen!“
    „Das ist eigentlich gar nicht nötig, denn Old Shatterhand hält sein Wort auch ohne Calumet; aber du sollst deinen Willen haben; wir werden die Pfeife des Friedens rauchen, doch nicht die meinige, sondern die deinige; du wirst wohl wissen, warum!“
    Eigentlich hätte ich es nicht tun sollen, denn beim Anzünden konnte das kleine Flämmchen den Comanchen, falls sie in der Nähe nach uns forschten, unsern Aufenthaltsort verraten. Ich tat es aber doch. Nach Beendigung der Zeremonie erteilte er seinem Krieger den von mir geforderten Befehl; ich band den Mann los, und er huschte fort, in das nächtliche Dunkel hinein. Der schon vorher gefangene Späher begleitete ihn. Dann steckte ich die Medizin des Häuptlings zu mir; er wurde auf sein Pferd gebunden, und wir ritten fort, die ganze Nacht hindurch, bis am Vormittag unsere Pferde so ermüdet waren, daß wir ihnen Ruhe gönnen mußten.
    Während dieser Pause machte Jim Snuffle den Vorschlag, daß einer von uns zurückkehren solle, um zu erforschen, ob die Comanchen uns nachkämen oder nicht; ich hielt dies aber nicht für nötig, denn ich war vollständig überzeugt, daß sie dem Befehl ihres Häuptlings dieses Mal Gehorsam leisten würden. Es handelte sich nicht nur um sein Leben, sondern, was weit wichtiger war, auch um seine Medizin.
    Drei Tage später erreichten wir die Grenze von Neu-Mexiko, und es wurde für mich die höchste Zeit, mich von der Truppe zu trennen, um meine ursprüngliche Richtung aufzusuchen. Ich löste die Fesseln To-kei-chuns, gab ihm seine Medizin wieder und sagte ihm, daß er frei sei. Er ritt fort, ohne ein Wort, weder des Dankes noch des Undankes, zu sagen. Ich hatte ihm das

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