20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
abgestiegen. Als To-kei-chun sah, daß ich wirklich seinen Gefangenen und einen Comanchen mitgebracht hatte, ließ er ein grimmiges „Uff!“ hören, sagte aber sonst weiter nichts. Die Gefährten wollten wissen, auf welche Weise ich Dschafar losbekommen hatte; ich erklärte ihnen:
„Wartet bis später! Wenn wir mehr Zeit haben, werdet ihr es erfahren. Jetzt habe ich vor allen Dingen mit To-kei-chun zu reden. Ich muß mich gegen einen wiederholten Wortbruch sicherstellen.“
„Sicherstellen?“ fragte Perkins. „Ja, das werden wir tun. Das ist das Notwendigste, was geschehen muß. Ich werde da gleich meinen Antrag stellen.“
Er sagte das in einem Ton, als ob alles auf seine Meinung ankäme und wir uns nur so nach seinem Willen zu richten hätten; darum antwortete ich ihm:
„Habe ich einen Antrag von Euch verlangt?“
„Verlangt? Nein.“
„So wartet, bis ich das tue!“
„Aber, Sir, es versteht sich doch ganz von selbst, daß wir uns darüber verständigen müssen, wie wir diesen roten Häuptling endlich unschädlich machen!“
„Was wollt Ihr mit dem Wort ‚verständigen‘ sagen? Es hat nie einer Verständigung bedurft, denn To-kei-chun ist Euch nur durch Eure Dummheiten schädlich geworden. Hättet Ihr von vornherein mit mehr Klugheit gehandelt, so hätten die Comanchen Euch gar nichts anhaben können.“
„Hm!“ brummte er mißvergnügt. „Jeder Mensch begeht einmal einen Fehler.“
„Mag sein; hier aber ist Fehler auf Fehler vorgekommen.“
„Wenn das wahr ist, so können wir uns am besten gegen weitere Fehler dadurch schützen, daß wir den Häuptling einfach niederschießen. Wenn wir das nicht tun, wird er uns wieder nachreiten.“
„Unendlich klug gesprochen, Mr. Perkins! Ihr wollt keine Fehler mehr begehen und schlagt in demselben Atem etwas vor, was ein noch größerer Fehler sein würde als alles, was bisher vorgekommen ist. Der Häuptling bleibt leben!“
„Das ist wieder Eure Humanität, mit der Ihr Euch und uns nur stets – – –“
„Schweigt!“ unterbrach ich ihn. „Hier wird überhaupt nicht geschossen! Und ich werde dafür sorgen, daß kein Mord begangen wird, solange ich mich bei Euch befinde. Es hat niemand notwendig, Anträge zu stellen, denn ich werde jetzt sagen, was zu geschehen hat, und dann sind wir fertig.“
„All devils! Gibt es hier etwa einen Kaiser, dessen Untertanen wir sind?“
„Nein. Aber es gibt hier einen Westmann, der nicht noch monatelang mit euch herumreiten will, um bald den einen, bald den andern von euch aus den Händen der Indianer zu holen. Das müßte ich nämlich tun, wenn ich mich nach euch richten wollte.“
„Well! Ich bin hier nicht allein maßgebend. Es gibt noch mehr Personen, welche sich darüber auszusprechen haben, ob wir nach gemeinsamer Vereinbarung handeln oder die gehorsamen Diener eines einzelnen von uns sein wollen.“
„Mir gleich! Ich aber sage euch, daß ich augenblicklich von hier fortreiten werde, wenn ihr etwas anderes tut, als was ich beabsichtige.“
„Das klingt wirklich außerordentlich befehlshaberisch Sir! Ich möchte wissen, was die beiden Snuffles dazu sagen?“
Jim antwortete verständiger Weise:
„Was wir dazu sagen? Die beiden Snuffles haben eigentlich gar nichts mit Euch zu tun, haben gar keine Verpflichtung gegen Euch. Wir haben Euch getroffen und sind mit Euch geritten, um Euch gegen die Roten beizustehen. Dabei haben wir freilich dieses und das getan, was Mr. Shatterhand Dummheiten nennt. Ich kann nicht sagen, daß er da unrecht hat. Sollen wir denn hier immer hin und her reiten, um bald diesen und bald jenen aus der Patsche zu befreien, in die er selbst hineinreitet? Nein! Mr. Shatterhand hat uns allen immer wieder herausgeholfen, und so denke ich, er kann verlangen, daß wir uns jetzt nach ihm richten. Was meinst du wohl, alter Tim, habe ich recht oder nicht?“
„Yes.“
„Wir halten zu Mr. Shatterhand?“
„Yes.“
„Well! So mag er uns also sagen, was nun geschehen soll.“
Da niemand widersprach, wendete ich mich an den gefangenen Häuptling:
„To-kei-chun mag meine Worte hören! Er ist wortbrüchig gewesen, und ich sollte ihn dafür töten. Ich habe sein Leben in meiner Hand, will es ihm jedoch schenken. Aber freilassen werde ich ihn jetzt noch nicht, denn da würde er uns wieder folgen.“
„Ich folge euch nicht!“ warf er ein.
„Das sagst du wohl; aber ich glaube keinem deiner Worte. Wer Old Shatterhand belügt, dem schenkt er niemals wieder sein Vertrauen.
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