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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Leben wiederholt geschenkt, war aber überzeugt, daß er mich bei einer etwaigen Begegnung als Feind behandeln würde.
    Der Abschied von Perkins und den beiden andern Führern, die gar nichts geleistet hatten, war kurz; es wäre schade um jedes Wort gewesen. Jim Snuffle streckte mir beide Hände entgegen und sagte:
    „Sir, wir sind unterwegs zuweilen verschiedener Meinung gewesen; aber ein verständiger Mensch muß Verstand haben, wenn er als vernünftiger Mann vernünftig sein will; darum haben wir eingesehen, daß Ihr stets im Rechte gewesen seid. Wollt Ihr uns verzeihen?“
    „Gern, lieber Jim.“
    „Danke Euch! Wie sagt Ihr da? Lieber Jim? Dafür danke ich Euch noch ganz besonders, denn von Old Shatterhand ‚lieber Jim‘ genannt zu werden, das ist das höchste der Gefühle. Meinst du das nicht auch, alter Tim?“
    „Yes!“
    „Well! So scheiden wir also in Freundschaft voneinander, und es soll uns eine große Freude und Ehre sein, wenn wir Euch einmal wiedersehen, Sir. Wir reiten noch eine Strecke mit Mr. Dschafar, vielleicht bis Santa Fé, wo er gute Führer nach San Francisco findet. Also, lebt wohl, Mr. Shatterhand, und vergeßt die beiden alten Snuffles nicht!“
    Ich drückte ihm die Hand, reichte die meinige auch seinem Bruder hin und versprach:
    „Werde gern an euch denken. Oder soll ich euch vergessen, lieber Tim?“
    „No!“ antwortete er kurz, aber in bewegtem Ton, wendete sein Pferd und ritt davon, den andern nach.
    Jetzt hielt nur noch Dschafar bei mir.
    „Sir“, sagte er, „ich will jetzt nicht wieder alles erzählen, was ich Euch zu verdanken habe; aber ich wünsche sehr, es Euch einmal vergelten zu können. Darf ich das für möglich halten?“
    „Man sagt, daß alles möglich sei.“
    „Kommt Ihr vielleicht wieder einmal zu den Schammar-Arabern?“
    „Ich will es nicht verreden.“
    „Wohl gar nach Persien?“
    „Das ist gar nicht unwahrscheinlich.“
    „Könnt Ihr mir wohl die Zeit angeben?“
    „Nein. Ich bin wie ein Vogel ohne Nest: er fliegt bald hier und bald dort.“
    „So ist nicht zu bestimmen, wo und wann wir uns treffen können. Was ich jetzt bin, das ist Nebensache; was ich dann sein werde, das weiß ich nicht. Aber ich bin überzeugt, daß Ihr von Mirza Dschafar hören werdet, der ein Sohn von Mirza Masuk ist. Merkt Euch diesen Namen! Und damit Ihr zuweilen an mich denken möget, erlaubt mir, Euch diese Waffe als Andenken anzubieten. Sie ist eigentlich die Veranlassung, daß ich Euch kennengelernt habe und von Euch gerettet worden bin. Wollt Ihr mir den Gefallen tun, sie anzunehmen?“
    Er hielt mir den Chandschar hin, den ich ihm nach seiner Befreiung natürlich wiedergegeben hatte.
    „Ich sollte den Dolch eigentlich zurückweisen, weil er zu kostbar ist; aber ich will – – –“
    „Für meinen Lebensretter zu kostbar?“ fiel er mir in die Rede. „Ich wollte, ich könnte Euch noch reicher beschenken! Vielleicht kann dies später geschehen. Auf alle Fälle aber verspreche ich Euch: derjenige, der mir, früher oder später, sei es, wo es sei, diesen Chandschar zeigt, kann darauf rechnen, daß ich alles für ihn tue, was er nur wünscht, wenn es im Bereich der Möglichkeit liegt. Lebt wohl, mein Freund! Die andern sind schon so weit fort, daß ich sie kaum noch sehe.“
    „Lebt wohl! Dank für den Dolch! Doch will ich nicht wünschen, daß er mir einst als eine Anweisung an Euch zu dienen hat.“
    Wir reichten uns die Hände und ritten dann nach verschiedenen Richtungen fort, er nach Westen und ich nach Süden. Ich steckte den Dolch in den Gürtel und ahnte damals nicht, von welcher großen Wichtigkeit er später für mich sein würde.
    Die letzte Rede Dschafars hatte etwas selbstbewußt geklungen, geradeso, als ob er ganz genau wisse, daß er einst ein Mann von Macht und Einfluß sein werde. Was war er jetzt? Ich wußte es nicht; ein Rätsel war er mir. Er hatte von sich, seinen Verhältnissen, seinen Aufgaben nicht gesprochen, und ich war nicht so zudringlich gewesen, ihn zu fragen. Eigentlich hätte er ein wenig offener gegen mich sein können, denn er verdankte mir sein Leben; aber es war so auch recht und gut, denn – – – ob wir uns wiedersehen würden? – Ma scha Allah kan wama lam jascha lam jekun – was Gott will, geschieht; was er nicht will, geschieht nicht – – –

DRITTES KAPITEL
    Der ‚Löwe der Blutrache‘
    Wie ich schon im Verlaufe meiner Erzählungen getan habe, betone ich auch jetzt wieder, daß ich kein Anhänger der

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