20 - Mutter der Monster
Dichter roter Nebel verschluckte die Gasse. Als er sich verzog, waren Buffy und Angel allein.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Angel sofort. »Wir sollten gehen.«
Buffy stand wie angewurzelt da. Angel trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Buffy?«
Als hätte seine Berührung einen Bann gebrochen, fuhr Buffy zusammen, um gleich darauf in Aktion zu treten.
»Du kannst nicht mitkommen, Angel«, sagte sie, als sie zum Ausgang der Gasse lief. »Du hast gehört, was dieses viergesichtige Ungetüm gesagt hat. Ich muss allein gehen.«
Angel rannte ihr hinterher und brachte Buffy zum Halt, indem er sie am Arm festhielt.
»Du kannst nicht dorthin gehen, solange wir nicht genau wissen, mit was du es zu tun hast«, sagte er eindringlich. »Wir sollten Giles suchen.«
Buffy schüttelte seine Hand ab und wünschte, sie könnte ebenso leicht den Drang abschütteln, zu schreien und zu weinen.
Die Mächte der Finsternis haben meine Mom entführt.
Und sie hatten kein Recht dazu, nicht das geringste. Aber natürlich hatte ein derart nebensächlicher Aspekt sie nicht davon abgehalten.
»Ich habe keine Zeit für Giles. Ich mag ja bei diesem dummen Spiel mitmachen müssen, aber ich sehe keinen Grund, mich an die Regeln anderer zu halten. Ich werde keine Stunde warten, Angel. Ich werde sofort dorthin gehen. Vielleicht kann ich sie so überrumpeln.«
Sie wollte nicht warten. Konnte nicht warten.
Die Mächte der Finsternis haben meine Mom entführt.
Angel packte sie an den Schultern und schüttelte sie.
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte er. »Ich verstehe, dass du deine Mom unbedingt retten willst. Aber du hast gehört, was Nemesis gesagt hat, Buffy. Du kannst keine Waffen mitnehmen. Informationen sind möglicherweise dein einziger Vorteil. Wenn du hingehst, ohne dich vorher informiert zu haben, bist du wirklich waffenlos.«
Buffy öffnete den Mund, um ihn anzufahren, ihm zu widersprechen. Wie konnte Angel verstehen, dass sie ihre Mutter retten musste? Er hatte schließlich seine eigene Mom umgebracht.
Im nächsten Moment wurde sie von heißer, überwältigender Scham gepackt. Was hatte Nemesis ihn gefragt? ›Was ist das für ein Gefühl, ein Vampir zu sein und eine Seele zu haben?‹
Das ist etwas, das ich mir nicht vorstellen kann, dachte Buffy. Aber sie wusste jetzt, dass er Recht und sie Unrecht hatte. Wenn es überhaupt jemand gab, der ihren Schmerz nachempfinden konnte, dann Angel. Um siegen zu können, musste sie wissen, was sie erwartete.
Für einen kurzen Moment lehnte sich Buffy an ihn und legte ihren Kopf an seine Brust. Wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte sie jetzt seinen Herzschlag gehört.
Sie spürte, wie Angels Finger kurz durch ihr Haar strichen.
»Die Uhr läuft«, flüsterte er. »Lass uns gehen.«
7
Allein in dem weißen Haus auf dem Hügel, ging die Vampirmutter in der Porträtgalerie auf und ab und trauerte um ihre geliebten kleinen Jungs.
Sie hatte die Haare wieder hoch gesteckt und diesmal unter einem schwarzen Käppi verborgen. Dazu trug sie ein schlichtes schwarzes Kleid. An ihrem üppigen Busen hing eine einreihige Kette aus milchweißen Perlen. Ihre Füße steckten in flachen Lackschuhen. Schwarze Handschuhe mit Perlenknöpfen am Gelenk umschmiegten ihre Hände. In den Armen hielt sie einen Strauß langstieliger, blutroter Rosen.
Es war wichtig, auf die äußere Erscheinung zu achten, selbst in einer Zeit der Trauer.
Eine wahre Lady verlor nie die Kontrolle, gab nie ihren Gefühlen nach. Die Mörder ihrer Söhne hatten die Vampirmutter schon einmal dazu gebracht, die Beherrschung zu verlieren, was sie normalerweise als höchst unschicklich empfunden hätte.
Unter diesen Umständen jedoch hatte sie durch ihren Ausbruch Nemesis heraufbeschworen. Nemesis, die Ausgleicherin, die Rachebringerin. Jene, die den Tod ihrer Söhne vergelten würde.
Sofern nicht das Undenkbare geschieht und die mörderische Schlampe die Prüfung besteht.
Die Vampirmutter schauderte, als sie die Galerie der Länge nach durchmaß. Ihre Absätze klapperten auf dem kalten, weißen Marmor, bis sie schließlich vor dem lebensgroßen Porträt ihres Gemahls zum Stehen kam. Er blickte auf sie herab, streng und stolz. Aber zum ersten Mal seit über hundert Jahren konnte sie es nicht über sich bringen, seinen Blick zu erwidern.
Sie hatte ihn enttäuscht. Sich selbst enttäuscht. Sie hatte versagt, ihre Pflichten vernachlässigt. Sie hatte ihre Söhne nicht beschützt.
Mit einem
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