200 - Die Suche beginnt
Ostmänner handelten im Auftrag des Weltrats. Genetisch »optimiert«, war es ihre einzige Bestimmung gewesen, aufblühende Techno-Enklaven klein zu halten und damit die Vormachtstellung der WCA zu sichern – mit roher Gewalt. Matt hatte mehr als einmal gegen die Barbaren gekämpft, bis endlich herauskam, wer hinter ihnen steckte. Crow versprach, sich der Truppen zu entledigen – und verkaufte den Daa’muren deren gegenseitige Vernichtung als Beweis seiner Loyalität. Selbst jetzt noch verspürte Matt einen Anflug von Abscheu.
Für Aiko war die Verletzung der Anfang vom Ende gewesen. Sein Gehirn entzündete sich, er vegetierte zunehmend dahin… bis sich seine Mutter, Naoki Tsuyoshi, zu einer riskanten Operation entschloss.
Danach war Aiko überzeugt, dass sein Gehirn hatte gerettet werden können. Er ahnte lange Zeit nicht, dass man es vollständig ersetzt hatte. Dass seine Liebe zu Kareen »Honeybutt« Hardy, einer Rebellin der Running Men, nur noch ein elektronisches Echo seiner neuronalen Schaltkreise war.
Die Wahrheit herauszufinden, brach ihm das Herz.
Und als ein tödlicher Virus seine Freunde bedrohte, bewies er ein letztes Mal seine Menschlichkeit, indem er sich für sie opferte.
Aiko existierte nicht mehr. Und doch trug Matthew Drax einen Speicherkristall mit dessen kompletter Persönlichkeitskopie bei sich. Naoki hatte sie kurz vor der Operation angefertigt, um sie auf das kybernetische Gehirn zu übertragen; sie enthielt alles, was den Cyborg Aiko Tsuyoshi ausgemacht hatte. Irgendwann, so hoffte Matt, würde man die Kopie auf einen neuen Körper, auf ein neues künstliches Gehirn übertragen können. Bislang hatte der EMP das verhindert – er und Matts einjährige Abwesenheit von der Erde…
Nein!, dachte er. Nicht das!
Er wollte nicht an den Mars denken, zu dem Aikos Kristall ihn begleitet hatte. Nicht nur deshalb, weil er damals all seine Freunde in der Heimat zurücklassen musste, ohne zu wissen, wer von ihnen die Atombomben am Kratersee und den EMP überlebt hatte. Nicht nur, weil Naoki, die ihn im Space Shuttle zur Internationalen Raumstation begleitet hatte, während der Reise gestorben war. Nicht nur, weil er auf dem roten Planeten ein ganzes hundertjähriges Leben durchleben musste.
Sondern auch wegen der Schuldgefühle, die ihn seither plagten.
Chandra, sagte Aruula in seinen Gedanken. Du kannst es nicht vor mir verbergen, Maddrax. Also erinnere dich…
***
Matt sah furchtbar aus: Gesicht, Hals, Handrücken und - ballen waren zerstochen und bluteten aus unzähligen Wunden. Die Haut unter seinem Anzug war von unzähligen Blutergüssen übersät. Die Heilerin Mauricia hatte drei gebrochene Rippen auf der rechten Seite festgestellt. Und noch immer lag er in tiefer Bewusstlosigkeit. Rulfan musste sich langsam die Frage stellen, ob sein Gefährte überhaupt durchkommen würde.
Während er und die Heilerin Maddrax’ Wunden reinigten und verbanden, fiel sein Blick immer wieder auf die Quarzuhr an ihrer goldenen Halskette; 11:36
zeigte sie inzwischen an. Das war nicht die richtige Ortszeit, doch das war nebensächlich. Die Uhr lief, darauf kam es an.
»Wo hast du sie gefunden?«, wollte er wissen.
»Auf einer Ebene an der Ostküste dieses Kontinents.«
Mauricia strich einen Brei aus Heilpflanzen auf die Gesichtswunden des blonden Mannes. »Dort fand ich das Wrack eines großen Feuervogels. In ihm saßen über hundert Skelette. Eines trug dieses Amulett auf einem Armreif.«
»Warum hast du es mitgenommen?« Rulfan hob den Kopf seines Blutsbruders an, damit die Heilerin ihn bandagieren konnte.
»Wudan wollte es so. Das Ding sollte mir Glück bringen. Darum.« Die Antwort klang ein wenig trotzig.
»Und du bist sicher, dass die ganze Zeit keine Zeichen darauf zu sehen waren?«
»Ganz sicher. Als du mich darauf aufmerksam machtest, habe ich zum ersten Mal die Zeichen und das Blinken gesehen.« Sie knotete die Binde fest und sah Rulfan an. »Was bedeuten diese Zeichen denn?«
»Sie zeigen das Verstreichen der Zeit an.« Rulfan hob Maddrax’ Rechte, damit Mauricia Heilpaste auf die Wunden auftragen konnte. »Das ist das Eine. Viel wichtiger ist aber für mich, dass sie anzeigt, dass wieder Strom fließt.«
»Was ist das, ›Strom‹?« Mauricia verband die Hand des Bewusstlosen.
»Energie, die dahin strömt, wo ich sie brauche.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich erkläre es dir später.« Rulfan stand auf. Ein paar Atemzüge lang sah er zu, wie sie die Wunden an Maddrax’ Hals
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