20.000 Meilen unter den Meeren
1819 befand sich der Russe Bellinghausen auf dem 69. Breitenkreis und 1820 entdeckte der Amerikaner Morrel, dessen Angaben zweifelhaft sind, unter 42° westl. Länge und 70° 14’ das freie Meer. Im gleichen Jahr musste der Engländer Brunsfield am 65. Breitengrad haltmachen. 1825 konnte der Engländer Powell nicht mal den 62. Breitengrad überschreiten. Im gleichen Jahr arbeitete sich ein einfacher Robbenjäger, der Engländer Weddell, unter 35° westl. Länge bis 72° 14’, unter 36° westl. Länge bis auf 74° 15’ vor. 1829 nahm der Engländer Foster als Kommandant der Chanticleer unter 66° 26’ westl. Länge und 63° 26’ südl. Breite Besitz vom antarktischen Kontinent. Am 1. Februar 1831 entdeckte der Engländer Biscoe Enderbyland auf 68° 50’ Breite, am 5. Februar 1832 Adelaideland auf 67° Breite und am 21. Februar Grahamsland auf 64° 45’ Breite. 1838 wurde der Franzose Dumont d’Urville bei 62° 57’ von der Eisdecke gestoppt, nahm jedoch das Louis-Philippe-Land auf; zwei Jahre später gab er am 21. Januar dem Adelieland auf 66° 30’ Breite und eine Woche später der Clarieküste auf 64° 40’ Breite ihren Namen. 1838 näherte sich der Engländer Wilkes bis auf 69°. Dann entdeckte der Engländer Balleny ein Jahr später Sabrinaland auf dem Polarkreis. 1842 endlich fand der Engländer James Ross, am 12. Januar die Vulkane Erebus und Terror unter 171° 7’ östl. Länge und 76° 56’ Breite besteigend, Viktorialand. Am 28. Januar war er auf 77° 32’ und am 2. Februar auf 78° 10’ – niemand ist näher an den Pol herangekommen. Und jetzt habe ich, Kapitän Nemo, am 21. März 1868 den Südpol am 90. Breitengrad erreicht und ergreife von diesem Erdteil Besitz.«
»In wessen Namen?«
»In meinem eigenen, Monsieur.«
Bei diesen Worten entfaltete er eine schwarze Flagge, die mit einem goldenen N verziert war, und stieß sie in den Boden. Die letzten Strahlen der Sonne huschten über den Meeresspiegel auf das Tagesgestirn zurück.
»Lebe wohl«, sagte Nemo. »Mein neues Reich beginnt mit sechs Monaten Finsternis.«
24. Kapitel
Bereits um sechs Uhr früh trafen wir am folgenden Tag, 22. März, die Vorbereitungen zur Abfahrt. Der letzte Widerschein der Dämmerung löste sich in das Dunkel der Polarnacht auf. Es war sehr kalt geworden und die Sterne zeigten sich in überraschend klaren Bildern. Am Zenit stand das glänzende Kreuz des Südens. Wenn jetzt Wind ging, empfand die Haut einen stechenden Schmerz, bei –12° begann das Meer, ringsum zu gefrieren, Eisbrei verdichtete sich zu Treibeis und es wurde offenkundig, dass dieses freie Becken am Südpol während der sechs Wintermonate zugefroren war.
Die Nautilus tauchte gemächlich bis auf 300 m Tiefe, dann begann sich die Schraube zu drehen und wir stießen mit 15 kn nordwärts. Gegen Abend ging es bereits unter der unermesslichen Eisdecke her.
Die Fenster im Salon blieben zu, aus Sicherheitsgründen. Ich verbrachte deshalb den Tag damit, meine Notizen zu ordnen. Mein Kopf steckte voller Polgedanken: Mühelos, ohne größere Gefahren waren wir bis zu diesem unerreichbarsten Punkt der Erde vorgedrungen, bequem eigentlich, als seien wir mit der Bahn gefahren. Auch das war eine der Überraschungen der Reise. Würden noch mehr folgen? Ich war davon überzeugt, denn die Wunder des Meeres sind ohne Zahl. Wir waren bereits fünf Monate unterwegs, hatten 62 300 km zurückgelegt, mehr als 33 000 sm also, mehr als der Äquator misst, wir hatten in den unterseeischen Wäldern von Crespo gejagt, waren in der Torresstraße gestrandet, hatten Riesenperlen gesehen und einen Korallenfriedhof, hatten gegen Haie gekämpft und Gold geborgen, waren unterm arabischen Festland hindurch- und bis zum Südpol hinabgefahren und ich kannte Atlantis …
Mein Hirn war in diesen Tagen von Träumen bewegt, die mir all diese Erlebnisse wiederbrachten, und es kam nicht zur Ruhe.
Um drei Uhr früh spürte mein Körper einen heftigen Stoß, ich sprang auf und horchte ins Dunkel. Ein zweiter Stoß folgte und schleuderte mich zu Boden. An der Schräge der Kabine merkte ich, dass sich die Nautilus leicht zur Seite geneigt hatte.
Ich tastete mich an den Wänden entlang bis vor in den Salon, in dem Licht brannte. Die Möbelstücke waren umgefallen oder an die eine Wand gerutscht, nur die fest montierten Schaukästen hatten ihren Platz behalten. Die Gemälde der rechten Wand lagen fest an der Tapete an, die der linken pendelten mit dem unteren Rand frei. Die Nautilus lag
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