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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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also auf der rechten Seite. Ich hörte aus dem ganzen Schiffskörper Stimmen und Fußtritte, die mir erregt schienen. Ich wartete auf den Kapitän, aber der kam nicht. Stattdessen traten Ned Land und Conseil in den Salon.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Das wollten wir gerade von Monsieur hören!«, antwortete Conseil.
    »Was wird sein«, rief der Kanadier ärgerlich, »wir sitzen fest, und zwar diesmal besser als in der Torresstraße.«
    »Sind wir denn oben?«
    Ich trat an das Manometer und erschrak. Wir befanden uns in 360 m Tiefe.
    »Ah, das ist nicht gut. Wir müssen sofort mit Nemo reden.«
    Die beiden folgten mir, als ich aus dem Salon ging. Wir durchsuchten die Gänge und die Zimmer, die uns offen standen, fanden aber niemanden. Ich vermutete, dass sich Nemo im Steuerhaus aufhielt. Wir gingen wieder in den Salon zurück, lehnten uns an die Wände, warteten und Ned Land unterhielt uns 20 Minuten lang mit seinen Flüchen.
    Als Nemo eintrat, schien er uns gar nicht zu bemerken. Auf seinem sonst so sicheren Gesicht entdeckte ich Unruhe. Er trat schweigend ans Manometer, an den Kompass, an die Karte und nach einer Weile wandte er sich zu mir und sah mich an.
    »Ein Zwischenfall, Kapitän?«, fragte ich.
    »Nein. Diesmal ist es ein Unfall.«
    »Was Ernstes?«
    »Vielleicht.«
    »Unmittelbare Gefahr?«
    »Nein.«
    »Was ist passiert?«
    »Ein ungeheurer Eisblock, ein ganzer Berg, hat sich gedreht. Wärmere Wasserströme und Stöße schleifen die Eisblöcke an ihrer Basis ab, ihr Schwerpunkt verlagert sich, die Massen drehen sich, stürzen um und von einem solchen Sturz hat die Nautilus etwas abbekommen, das Eis hat sich unter das Fahrzeug geschoben und es in die Höhe gehoben.«
    »Können wir nicht etwas steigen und dadurch wieder in die Horizontale kommen?«
    »Das lasse ich schon versuchen, aber vorläufig ist auch der Eisblock noch im Steigen begriffen. Schauen Sie auf das Manometer! Erst wenn er aufgehalten wird, hat es Sinn, dass wir uns aufwärts bewegen.«
    Mir kam sofort der Gedanke, dass der Auftrieb des Eises erst durch die Eisdecke an der Oberfläche gebremst werden könnte, wobei unser Fahrzeug zwischen den beiden Massen zermalmt würde. Ich wagte nicht, davon zu sprechen. Wir schwiegen, während Nemo unablässig den Zeiger des Manometers verfolgte. Nachdem wir knapp 50 m gestiegen waren, ging ein leichtes Zittern durch den Schiffsrumpf und wir merkten, dass sich der Boden wieder begradigte. Die hängenden Gegenstände schmiegten sich wieder normal an die Wände. Der Kapitän verließ das Manometer.
    »Werden wir wieder flott?«, fragte ich.
    »Sicher. Wir können immer noch die Tauchtanks entleeren, um höher zu steigen.«
    Er ging aus dem Salon.
    »Da sind wir noch mal gut davongekommen«, sagte Conseil und lächelte erleichtert.
    »Wenn wir das schon sind«, brummte Ned Land.
    Ich brauchte mich auf den Pessimismus des Kanadiers nicht weiter einzulassen, denn in diesem Augenblick öffneten sich die Fensterwände und wir konnten nach draußen schauen. Was wir sahen, war nicht sehr Mut einflößend. Zwar schwammen wir im freien Wasser, aber doch in einem regelrechten Eistunnel, dessen Wände nur 10 m von der Außenwand der Nautilus entfernt waren. Das Dach über uns war die untere Seite der mächtigen Eisdecke, die seitlichen Wände gehörten zu einer Rille, welche die Vorsehung für uns in den Eisblock gegraben haben musste.
    Der Scheinwerferstrahl der Nautilus wurde von den Eiswänden tausendfach reflektiert und erleuchtete den Salon und der Blick hinaus war wie der Blick in eine Edelsteinmine von blauem Saphir und grünem Smaragd.
    »Das ist wunderbar«, staunte Conseil und presste seine Nase ans Fensterglas.
    »Der schönste Sarg, den ich je gesehen habe«, ergänzte der Kanadier beißend höhnisch. »Nein, im Ernst: Ich habe das Gefühl, wir sähen hier Dinge, die Gott nicht für Menschenaugen gemacht hat. Und das wird uns teuer zu stehen kommen.«
    Ich konnte ihn verstehen, es war zu schön. Plötzlich schrie Conseil.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Nicht hinsehen, nicht hinaussehen!«
    Er bedeckte seine Augen mit der Hand.
    »Was hast du denn?«
    »Ich bin blind.«
    Ich sah unwillkürlich zum Fenster, musste aber sofort den Kopf abwenden. Der Lichttunnel dort draußen war in Bewegung geraten und die Strahlungen und Spiegelungen hatten sich in ein gleißendes Feuer verwandelt, in ein Bombardement von Blitzen, die kein Auge aushalten konnte. In diesem Augenblick schlossen sich auch die Läden,

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