2001 Himmelsfeuer
musst du ihn bis zu Ende gehen. Und wenn deine Brüder und vermutlich auch die Quiñones sagen, du hättest unsere Familien entehrt, so sage ich, dass es schlimmer ist, gegen sein Herz zu entscheiden. Sobald du in Sicherheit bist, meine Tochter, schick Carlotta nach Mexiko eine Nachricht. Sie wird einen Weg finden, mich zu informieren. Aber für lange Zeit darf niemand erfahren, wo du dich aufhältst. Geh jetzt. Geh mit Gott und meiner Liebe.«
Marina sah noch, wie sich die Mutter einen Stuhl zu Navarros Leichnam heranzog. »Was hast du vor?«, fragte sie.
»Hier zu warten, bis ich Gewissheit habe, dass du es geschafft hast.« Damit nahm Angela Platz und faltete die Hände im Schoß.
Marina ritt wie der Wind; der volle Mond wies ihr den Weg. Ihr Herz galoppierte im Rhythmus der Pferdehufe, während sie inbrünstig betete, dass Daniel die Nachricht erhalten und sie abholen würde.
Ihr Vater lag tot auf dem Boden ihres Zimmers! Und Mamá saß bei ihm und sah ungerührt ihrem Schicksal entgegen.
Ab dort, wo El Camino Viejo allmählich versandete, hielt sich Marina an die Skizze ihrer Mutter, fand den kleinen Canyon und, von Findlingsblöcken verborgen, die Höhle. In deren Eingang hockte sie sich auf den Boden, um auf Daniel zu warten, und zählte, in gleißendes Mondlicht getaucht, das Geld in ihrem Schoß. Münzen aus den Taschen ihres Vaters – Pesos, Reales und ein amerikanisches Ein-Cent-Stück. Beim kleinsten Geräusch machte ihr Herz vor Schreck einen Satz, flatterten ihre Hände. Wie der eisige Atem eines Geistes fuhr ein kalter Wind durch das enge Tal und in die Höhle hinein.
Die Zeit verrann, und Marinas Angst stieg ins Unermessliche. Wie spät war es inzwischen? Hatte es D’Arcy zum Hause von Marquez geschafft? Oder war er aufgehalten worden?
Da, unvermittelt – Pferdehufe, die sich über das Geröll einen Weg suchten.
Marina hielt den Atem an.
Ein Reiter saß ab.
Rasch stopfte sie das Geld zurück in ihr Täschchen und stand auf. Dass ihr dabei eine Münze entglitt und zu Boden fiel und der Geisterstein ebenfalls, merkte sie nicht.
»Daniel!«, rief sie laut. »Bist du es?«
Kapitel 13
D unkelheit.
Erica wusste nicht, ob ihre Augen geöffnet oder geschlossen waren. Wo befand sie sich? Sie versuchte sich zu erinnern, versuchte, die Situation einzuschätzen. Ihr Schädel brummte, auf ihrer Brust lag ein Druck, der ihr das Atmen erschwerte. Ihre Hände brannten.
Nach einer Weile merkte sie, dass sie auf schmutzigem Boden lag. Und da fiel es ihr wieder ein: Sie war in der Höhle. Es hatte eine Explosion gegeben, einen Einsturz. Luke war im Geröll verschüttet. Und sie hatte in panischer Angst versucht, mit bloßen Händen einen Weg zu graben, und sich dabei die Finger aufgerissen. Deswegen brannten sie so. Wie lange hatte sie hier bewusstlos gelegen? Die Luft war gefährlich dünn. Wie viel Zeit blieb ihr noch? Und wie nah mochten die Retter sein, die bestimmt an der anderen Seite des Erdrutsches arbeiteten?
Sie versuchte sich aufzurichten, aber sie hatte nicht die Kraft dazu. So blieb sie auf der Erde sitzen. Der Geruch von Schmutz und Staub stieg ihr in die Nase. »Hilfe …«, flüsterte sie kraftlos.
Da sah sie jemanden über sich stehen, mit geschürzten Lippen, den Finger vorwurfsvoll erhoben. Mrs. Manion, Ericas Lehrerin aus der vierten Klasse. Was tat die denn hier in der Höhle?
Ich scheine zu halluzinieren. Oder zieht mein Leben vor meinen Augen vorüber? Aber passiert das nicht nur beim Ertrinken?
Jetzt tauchten neben der Lehrerin noch andere Gesichter auf, reale Gestalten aus Ericas Vergangenheit und Phantasiegebilde. Sie versuchten, ihr etwas zu sagen.
Da wurde sie bewusstlos.
Als Erica wieder zu sich kam, lauschte sie angestrengt in die Dunkelheit. Um sie herum herrschte tödliche Stille. Versuchte denn niemand, sie hier herauszuholen? Hatten sie aufgegeben?
Noch mehr Gestalten erschienen, gespenstisch, winkten ihr zu. »Nein …«, wisperte sie in der Angst, sie wären gekommen, um sie ins Reich der Toten zu begleiten. Oder führten sie sie woandershin? Zurück in die Vergangenheit …
Er hieß Chip Masters und war einer der Obercoolen von Reseda High. Als er Erica und ihre Freundin zu einer Spritzfahrt mit noch anderen Jugendlichen im neuen Wagen seines Vaters einlud, wie konnte sie da widerstehen? Mit sechzehn rieb Erica sich an den strengen Regeln des Mädchenheims, in dem sie derzeit lebte. Chip versprach Geheimnis und Abenteuer.
Es gab Bier im Auto. Obwohl
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