2001 Himmelsfeuer
merkwürdigen Kopfschmerzen zurückzuführen. Sie habe ihre Tochter beschworen, über die Vision Stillschweigen zu bewahren; es stehe allein Opaka zu, dem Clan zu sagen, wo Nahrung zu finden war. Aber Marimi habe auf ihrer Vision von einem Pinienwald jenseits der Grenzen der Topaa beharrt, in dem niemand lebe oder je gelebt habe, es somit kein Tabu sei, dort hinzuziehen und eine reiche Piniennussernte einzubringen.
Als dann die Schamanen aus ihrer Hütte getreten seien und verkündet hätten, diesmal gebe es keine Piniennüsse und auch keine Kaninchenjagd, da niemand Kaninchen im Wald gesehen habe, und dass die Götter sich von ihrem Volk abgewandt hätten, sei in Marimis Mutter der Entschluss gereift, Opakas Rat hinsichtlich der Visionen ihrer Tochter einzuholen. Der Wald, habe das Kind behauptet, sei in Richtung der aufgehenden Sonne zu erreichen, über einen Fluss hinweg oben auf einem fruchtbaren Hügelkamm.
Opaka hatte daraufhin erklärt, das so beschriebene Land liege jenseits ihrer Stammesgrenze und sei somit ihrem Volk verwehrt. Dem wiederum hatte das Kind widersprochen; der Geist in dem Traum habe ihr bedeutet, das Gebiet sei nicht tabu. Schließlich hatte Opaka der Mutter Stillschweigen über dies alles auferlegt und sich klammheimlich selbst aufgemacht und tatsächlich den Wald mit den vielen Piniennüssen gefunden. Nach ihrer Rückkehr ins Lager hatte sie sich in der Gotthütte auf eine spirituelle Reise begeben und danach kundgetan, die Götter hätten ihr den Weg zu einer reichen Piniennussernte gewiesen, zu einem Ort, an dem niemand zuvor gelebt habe.
Vier mutige junge Männer wurden bestimmt und mit Speeren ausgerüstet. Man hieß sie der Sonne entgegenlaufen; sollten sie jedoch Boden betreten, der tabu war, brauchten sie sich nicht mehr blicken zu lassen.
Während sie unterwegs waren, tanzte das Volk und ernährte sich von Bienenlarven und Honig und den Piniennüssen, die von den massenweise verrottenden noch genießbar waren. Als dann die Jäger zurückkehrten, berichteten sie von einem Waldgebiet auf der anderen Seite des Flusses, das riesig war und unbewohnt seit Anbeginn der Zeit.
Es war doch noch eine gute Jahreszeit geworden, die Piniennussmangelzeit, und bei jeder neuerlichen Zusammenkunft, an jedem Lagerfeuer erzählte man davon. Der Stamm hatte überschwänglich gefeiert und war mit Körben voller Nüsse in seine Sommerunterkünfte zurückgekehrt. Von dem Mädchen sprach keiner. Die Vision wurde den Schamanen zugeschrieben, die zu den Göttern sprechen konnten, was ein Beweis für ihre Macht war und für die Macht von Opaka.
Seither hatte Opaka Marimi nicht aus den Augen gelassen, hatte verfolgt, ob sie von Kopfschmerzen geplagt wurde oder von Visionen berichtete. Als sie zur Frau heranreifte und zwei Sommer zuvor, im Rahmen des damit einhergehenden Rituals, den Wettlauf gewann, ein Sieg, der ihr innerhalb des Stammes einen Ehrenplatz einräumte und den davonzutragen Opaka, die keine eigenen Enkel hatte, der Enkelin ihrer Schwester gewünscht hätte, war die Wachsamkeit der alten Schamanin noch größer geworden. Nach dem abschließenden Ritual zur Geschlechtsreife, das in einer Zeremonienhütte stattfand, mussten sich die jungen Mädchen wie Marimi auch Visionsprüfungen unterziehen und bestimmten die Klapperschlange zu ihrem Schutzgeist – die Schlange galt als äußerst männliches Symbol und für Jungfrauen, die darauf hofften, ihre Fruchtbarkeit unter Beweis stellen zu können, als Glücksbringer. Marimi jedoch hatte allen Gepflogenheiten zum Trotz den Raben zu ihrem Schutzgeist erklärt.
Was aber Opaka am meisten zu schaffen machte, war, dass das Mädchen zu Visionen fähig war, sogar ohne Zuhilfenahme von Stechapfel, wie bei den Schamanen erforderlich. Was sollte aus der Rangordnung des Stammes werden, wenn einfach jeder mit den Göttern Zwiesprache halten konnte? Chaos, Verrohung, Gesetzlosigkeit wären die Folge. Wo doch nur jene Auserwählten und in die geheimen Schamanenriten Eingeweihten mit der Anderen Welt in Kontakt treten durften! Nur so blieb das Universum im Gleichgewicht, wurde die Ordnung aufrechterhalten. Opaka sah in dem Mädchen eine Bedrohung für die Stabilität des Stammes. Vor allem jetzt, da sie schwanger war und bald den höher angesehenen Status einer Mutter einnehmen würde.
Ein Privileg, das Opaka nicht kennen gelernt hatte.
Bereits als Baby auserwählt und der Mutter weggenommen worden, um in Abgeschiedenheit bei der Schamanin des Clans
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