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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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geboten war, um nicht versehentlich einen der Geister zu kränken. Bevor sie den ersten Schritt die Böschung hinunter tat, sagte sie deshalb: »Geister dieser Region, wir haben nichts Böses im Sinn, wir wollen euch nicht den Respekt verweigern. Wir kommen in friedvoller Absicht.« Sie nahm den Jungen fest an der Hand, hob den rechten Fuß und setzte ihn entschlossen auf verbotene Erde.
    Payat begann zu weinen. Er zerrte an Marimis Hand und deutete zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, rief nach seiner Mutter.
    Aber Marimi umfasste seine Schultern, sah ihm tief in die Augen und sagte: »Wir können nicht zurück, mein Kleiner. Nie wieder. Ab jetzt bin ich deine Mutter. Ich bin deine Mutter.«
    Payat schniefte noch eine Weile, dann versiegten die Tränen, und er schob seine kleine Hand in die von Marimi. »Wohin gehen wir?«, fragte er.
    Sie wies zur Sonne, dem riesigen roten Ball am westlichen Himmel, gegen den sich ihr Beschützer, der Rabe, scharf abzeichnete.
    Payat bemerkte als Erster die Geier, die über ihnen kreisten.
    »Warum führt uns der Rabe nicht zu einer Wasserstelle?«, quengelte er mit trockenen, aufgesprungenen Lippen.
    »Ich weiß es nicht«, keuchte Marimi unter der Last des Jungen, den sie auf dem Rücken trug, weil er zum Laufen zu schwach war. »Vielleicht hält er Ausschau danach.«
    »Diese Vögel wollen uns auffressen«, sagte Payat und meinte die Geier.
    »Sie sind nur neugierig. So was wie uns haben sie noch nie gesehen. Sie wollen uns nichts tun.« Der kleine Junge gab sich mit dieser Notlüge zufrieden.
    Viele Tage und Nächte waren sie nun schon unterwegs und hatten eine große Strecke zurückgelegt, an mächtigen und zerklüfteten Klippen vorbei und durch tiefe Canyons, über hügeliges Gebiet und endlose Sandflächen mit nichts weiter als übermannshohen Kakteen, immer dem Raben folgend, der westwärts flog, immer weiter westwärts.
    Nachts ruhte sich der Rabe aus, auf einem Felsen oder einem. Kaktus oder Baum, und dann rasteten auch Marimi und der Junge, um tags darauf dem Raben erneut auf seinem Flug nach Westen zu folgen. Wohin führte er sie? Zu einem anderen Volk? Marimi beschlich eine leise Unruhe, denn bald würde ihr Baby geboren werden, und es war undenkbar, dass dann nicht ein Schamane bereitstand und die Götter um ihren Segen bat. Wie sollte ihrem Baby Schutz und Wohlwollen der Götter ohne die Fürsprache eines Schamanen zuteil werden?
    Während ihres langen Marsches hatten sich Marimi und Payat von den Bohnen des Mesquitestrauchs ernährt, von wilden Pflaumen, Datteln und Kaktusknospen. Wenn sie auf die Jagd gingen und erfolgreich waren, gab es anschließend geschmortes Kaninchen mit wilden Zwiebeln und Pistazien. Fanden sie einmal weder einen Flusslauf noch eine Quelle, löschten sie ihren Durst, indem sie an den dicken Stämmen der Feigenkakteen saugten, die reichlich Flüssigkeit enthielten.
    Wo immer sie hinkamen, bewiesen sie dem Land ihren Respekt. Bevor sie etwas von einem Baum brachen, ein Tier töteten, sich an einer Quelle labten oder eine Höhle betraten, wurde ein schlichtes Zeremoniell abgehalten, das eine Bitte beinhaltete oder eine Würdigung. »Geist dieser Quelle«, pflegte Marimi dann beispielsweise zu sagen, »ich bitte dich um Vergebung, dass wir von deinem Wasser nehmen. Mögen wir gemeinsam den Kreis des Lebens vollenden, das uns vom Schöpfer all dessen gegeben worden ist.« Auch Schlingen mit Ködern legte sie aus, und wenn sie sich dann mit dem Jungen hinter den Felsen versteckte, küsste sie ihren Handrücken, um durch dieses schmatzende Geräusch Vögel anzulocken. Und wenn ihr mit diesem Trick ein Fang gelang, bat sie das Tier um Verzeihung und darum, dass sein Geist sie vor seiner Rache verschone.
    Einmal, als der Boden grummelte und so heftig schwankte, dass sie und Payat zu Boden stürzten, erschrak Marimi fürchterlich. Bis sie ein Stück zurückging und entdeckte, was zu dem Beben geführt hatte: Sie hatte unabsichtlich das Erdloch einer Schildkröte zertreten. Sie, entschuldigte sich bei Großvater Schildkröte und legte die Öffnung zur Behausung des Reptils wieder frei.
    Niemals vergaß sie ihre Schuldigkeit dem Mond gegenüber. Wenn sie und Payat etwas aßen, ließen sie immer einen Rest davon übrig, als Gabe für die Mondgöttin, die sie errettet hatte.
    Hin und wieder kamen sie durch Gegenden, die darauf hindeuteten, dass hier bis vor kurzem Menschen gelebt hatten: rußgeschwärzte Steine, Knochen von Tieren,

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