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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Wanchem, würde der Rabe sich endgültig niederlassen.
     
    Als sie sich den Ausläufern der bewaldeten Berge näherten, ballten sich dunkle Wolken am Himmel zusammen. Wind zog auf, beutelte den Raben und hinderte ihn am Fortkommen. Er kreiste über ihnen, derweil Marimi die beiden Knaben an sich zog und die Kaninchendecke um sie schlang. Als der Sturm losbrach, kauerten sie sich unter eine gewaltige Eiche und wurden Zeuge, wie Bäche anschwollen, Schluchten und Felsen überschwemmten und die drei verschreckten Wesen mitzureißen drohten. Entsetzt sahen sie mit an, wie Erdschollen abbrachen und sich mit einer breiten Schlammlawine zu Tal wälzten. Der Wind heulte und zerrte an der knorrigen Eiche. Marimi verlor ihren Raben aus den Augen und fragte sich beklommen, ob sie und die Knaben ein Tabu gebrochen hätten und jetzt bestraft würden.
    Und dann setzten die Wehen ein.
    Sie ließ die beiden Jungen unter dem Baum zurück und stürzte hinaus in den Regen, auf der Suche nach einer Zuflucht. Blindlings tappte und stolperte sie über Geröll und niederes Buschwerk in Richtung der Berge, an deren Fuß sie ein trockenes Plätzchen zu finden hoffte und Schutz vor dem Unwetter.
    Durch die herniederprasselnden Wassermassen machte sie schließlich die schwarzen Umrisse des Raben aus, der Wind und Wetter trotzte und sie zu einer höhergelegenen Felswand lockte. Vor den Felsbrocken ließ er sich nieder, schüttelte sich und sah sie in stummer Zwiesprache eindringlich an. Marimi kletterte über die Felsen, nicht ohne immer wieder auf dem nassen Untergrund auszurutschen, und stellte dann fest, dass sich hinter den Findlingsblöcken, auf denen der Rabe hockte, in der Wand eine Schlucht öffnete. Als sie sich näher in dem schmalen Tal umsah, entdeckte sie den Eingang zu einer Höhle – ein sicheres Plätzchen für sich und die beiden Jungen. Später, wenn ihr Baby geboren und sie wieder bei Kräften war, wollte sie zu den Findlingsblöcken zurückgehen und zwei Zeichnungen in den Fels ritzen: das Symbol ihres Raben, aus Dankbarkeit dafür, sie hierher geleitet zu haben, und das Symbol des Mondes, der ihre Gebete erhört hatte.
     
    Marimi war nicht überrascht, zwei Mädchen zu gebären, waren doch in ihrer Familie seit Generationen nur Mädchen zur Welt gekommen. Als sie sich etwas erholt hatte, flog der Rabe hinauf zum Kamm des Berges, und Marimi kletterte ihm mit ihren Babys sowie Wanchem und Payat hinterher. Oben angekommen, blieben sie wie gebannt stehen.
    Sie waren am Ende der Welt angelangt: Vor ihnen erstreckte sich die größte Wasserfläche, die Marimi je gesehen hatte. Das muss das Land der Toten sein, überlegte sie, der Ort, zu dem sich die Topaa nach ihrem Tod begaben. Ein atemberaubend majestätischer Ort.
    Der Rabe hatte sich in einer Eiche niedergelassen. Er trug etwas im Schnabel. Das ließ er jetzt fallen, ehe er auf Nimmerwiedersehen davonflog. Marimi hob dieses Etwas auf, einen seltsamen, wunderschönen Stein, rund und glatt und blauschwarz wie die Feder eines Raben. Als sie die Finger um ihn schloss, spürte sie aus ihm die Kraft des Rabengeistes auf sich übergehen.
    Wieder blickte sie auf das blassblaue Wasser und sah unweit der gegenüberliegenden Küste dünne Rauchwolken von Kochstellen aufsteigen. »Von diesen Menschen werden wir uns fern halten«, sagte sie. »Sie haben Bräuche und Tabus und Gesetze, die sich wahrscheinlich von unseren unterscheiden. Da man uns verstoßen hat, werden wir von nun an ein eigenes Volk sein. Dies soll unser Zuhause werden. Wir wollen es den Ort des Volkes nennen«, fügte sie hinzu, wobei sie die Worte in ihrer Sprache zusammensetzte:
Topaa,
das bedeutete »das Volk«, und
ngna
»der Ort des«.
     
    Sie verließen die Höhle von Topaa-ngna und zogen in das marschähnliche Umland des Ozeans, nicht weit von den Ausläufern der Berge entfernt. Sie errichteten Rundbauten und jagten niederes Wild und zogen einmal im Jahr ins Gebirge, um Eicheln zu sammeln. Die Höhle suchte Marimi immer dann auf, wenn sie um Rat von ihrem Raben nachsuchte, und sie sah zum Mond, wenn sie spürte, dass die Gabe des Geistes sie überkam. Mit heftigen Kopfschmerzen machte sie sich dann schnurstracks auf in das kleine Tal und hockte sich in die dunkle Höhle, überließ sich ihren Visionen. Auf diese Weise vermittelten sich ihr die Gesetze, die für ihre neue Familie gelten sollten.
    Ihr war bewusst, wie ungemein wichtig es war, über den Clan sowie über die zweite und die erste Familie genau

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