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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ausreichend Nahrung bis hinein ins Frühjahr boten, wenn es wieder Beeren und Samenkörner im Überfluss geben würde. Aus Dankbarkeit veranlasste Marimi, dass ihre Kinder das nächste Mal, als wieder Fische ans Ufer gespült wurden, einige zurück ins Wasser warfen. »Was wir von den Göttern nehmen«, sagte sie, »geben wir den Göttern zurück.«
    Auch welche Bedeutung dem Geschichtenerzählen zukam, schärfte Marimi ihrer Familie ein, und dass die Geschichten weitergegeben werden müssten, damit der Clan über seine Vergangenheit Bescheid wisse und die Vorfahren in Erinnerung behalte. Dementsprechend erzählte sie ihnen jede Nacht am Lagerfeuer von der Erschaffung der Welt und der Erschaffung der Topaa, Geschichten von den Göttern und lehrreiche Fabeln. Sie unterwies sie darin, voller Ehrfurcht zur Sonne und zum Mond zu beten, und klärte sie darüber auf, dass die Topaa Kinder der Götter seien und nicht der Fürsprache eines Schamanen bedürften. Wie alle Eltern vernähmen auch Sonne und Mond gern die Stimmen ihrer Kinder, vorausgesetzt, sie verhielten sich respektvoll und gehorsam und versprächen, sich ehrerbietig zu erweisen. Dann würden die Götter ihre Kinder beschützen und für ihr Wohlergehen sorgen.
    Wieder und wieder hielt Marimi im Laufe der Jahre inne und blickte gen Osten, wo eine kleine gelbe Sonne über den Gipfeln aufging. Wenn sie dann an ihre Mutter und den Clan dachte, spürte sie im Herzen einen stechenden Schmerz.
     
    Als Marimis Haar so weiß geworden war wie der Schnee, der ihr vor langer Zeit den Bärenjäger zugeführt hatte, und sie wusste, dass sie bald die Reise nach Westen über den Ozean, zu ihren Vorfahren, antreten würde, hielt sie sich tagsüber nur noch in der Höhle auf und mischte Farben: Rot aus der Rinde der Erle, Schwarz aus Holunderbeeren, Gelb aus Hahnenfuß, Purpur aus Sonnenblumen. Damit zeichnete sie in Form von Piktogrammen, die sie auf die Wände der Höhle malte, gewissenhaft ihren Weg durch die Große Wüste auf, um für nachfolgende Topaa die Geschichte ihres Stammes festzuhalten.
    Schließlich legte sie sich zum Sterben nieder, im Kreise ihrer Familie, die jetzt neun Familien aus fünf Stämmen und vier Clans umfasste sowie Brüder einer Gruppe, die Schwestern einer anderen geheiratet hatten, und Fremde, die hinzugekommen und weitere Töchter geheiratet hatten; alle Mitglieder der jüngsten Generation stammten direkt oder indirekt von Marimi ab. Sie hatte sie gelehrt zu jagen und Nüsse zu sammeln, das Korbflechten und die Lieder ihrer Vorfahren, die Verehrung der Mondgöttin und in Eintracht mit den Geistern zu leben, die jedem Tier innewohnten, jedem Fels und jedem Baum. Sie hatte ihnen eingeschärft, nie zu vergessen, dass sie Topaa waren.
    Payat, inzwischen selbst Großvater, lächelte traurig, als Marimi ihm segnend die Hand auflegte. »Denk immer daran«, sagte sie, »in meiner Familie darf niemand verstoßen werden. Es soll keine lebenden Toten geben, wie du und ich es einst waren. Unterweise unser Volk darin, nicht wie wir damals in Furcht und Hilflosigkeit zu leben, sondern in Liebe und Frieden.«
    Dann sagte sie: »Vergiss nicht, den Kindern unsere Geschichte zu erzählen, von unserem langen Weg von Osten her und wie die Erde gebebt hat, als wir auf den Unterschlupf von Großvater Schildkröte traten, wie wir Wanchem am geheimnisvollen Fluss fanden und wie der Mond uns beschützt und unseren Weg erhellt hat. Halte die Kinder an, diese Geschichten in sich aufzunehmen und sie ihren Kindern weiterzuerzählen, auf dass kommende Topaa-Generationen um ihre Anfänge wissen.«
    Dann rief sie ihre Urenkelin, die seit ihrer Kindheit von quälenden Kopfschmerzen und Halluzinationen heimgesucht wurde, was Marimi nicht länger als ein Leiden ansah, sondern als einen Segen. Sie legte dem Mädchen die Hand auf und sagte: »Die Götter haben dich auserwählt, meine Tochter. Sie haben dir die Gabe verliehen, die Geister anzurufen. Deshalb gebe ich dir meinen Namen, denn ich werde zu unseren Vorfahren gehen, und dadurch, dass du meinen Namen annimmst, wirst du ich werden, Marimi, die Medizinfrau des Clans.«
    Sie bestatteten sie mit großem Zeremoniell und zusammen mit ihren Medizinbeuteln, ihrer Speerschleuder, ihren Haarnadeln und Ohrringen in der Höhle von Topaa-ngna und entsandten ihren Geist nach Westen. Den Geisterstein des heiligen Raben jedoch behielten sie und hängten ihn dem auserwählten Mädchen um den Hals, das jetzt den Namen Marimi trug und fortan

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