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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Zusammen mit dem Skelett waren Beutel freigelegt worden, die Samenkörner enthielten, sowie geflochtene Körbchen mit Kräutern. Das meiste war verrottet, aber mikroskopische Analysen hatten einiges davon als Heilkräuter identifiziert.
    Was dagegen ein Rätsel blieb, war ihre Stammeszugehörigkeit. Die Frau war von stattlicher Größe gewesen, was auf Mojave deutete, einen der Stämme des nordamerikanischen Kontinents von auffallend hohem Wuchs. Die Grabbeigaben entsprachen nicht denen der Chumash, die zudem ihre Toten nicht auf dieser Seite von Malibu Creek bestatteten. Auch eine Gabrielino konnte die Frau nicht gewesen sein, denn die pflegten ihre Toten einzuäschern. Bei den Indianern aus der Los-Angeles-Senke wiederum war es Brauch gewesen, die Habe des Toten feierlich zu zerstören – ein Pfeil oder ein Speer wurde zerbrochen –, sodass die Objekte starben und ihre Geister dem Besitzer ins Jenseits folgen konnten. Die aufgefundenen Objekte indes waren intakt.
    Wer immer sie war und welchem Stamm sie auch angehört haben mochte – die, die sie beerdigt hatten, waren liebevoll und behutsam und mit großer Ehrerbietung zu Werke gegangen. Die Lady war in Seitenlage gefunden worden, die Arme auf der Brust verschränkt, die Knie leicht angewinkelt, der Position eines Fetus oder eines Schlafenden ähnlich. Sie war in eine Decke aus Kaninchenfell gehüllt worden, das sich größtenteils zersetzt hatte, von dem aber doch noch Spuren an dem Skelett hafteten. Um den Hals trug sie mehrere Perlenketten, Perlenstränge auch an beiden Handgelenken. Eine Pollenanalyse hatte ergeben, dass man sie auf Blumen und Salbei gebettet und ihr in Reichweite kleine Essensgaben hingestellt hatte – Samenkörner, Nüsse, Beeren. Die persönliche Habe der Frau war sorgfältig um ihren Leichnam drapiert worden: gefiederte Haarnadeln, gravierte Ohrringe aus Knochen, eine Flöte aus dem Röhrenknochen eines Vogels sowie andere Gegenstände, die Erica nicht identifizieren konnte, denen sie aber rituelle Bedeutung beimaß. Spuren von Ocker ließen vermuten, dass der Leichnam vor der Bestattung rot bemalt worden war.
    Während die Geräusche aus dem Camp durch das offene Fenster drangen – jemand spielte Gitarre, ein Volleyball-Match war im Gange –, versetzte sich Erica in längst vergangene Zeiten zurück. Sie starrte auf die Fotos über der Werkbank, auf das weiße Haar und die brüchigen Knochen, die einstmals zu einer lebendigen, atmenden Frau gehört hatten, und verspürte mit einem Mal ein überwältigendes Verlangen, die Geschichte der Lady zu ergründen.
    Geschichten waren es doch, die einen Menschen ausmachten und eine Seele einhauchten. Nie würde Erica den Tag vergessen, an dem sie zum ersten Mal den Wunsch gehabt hatte, den Geschichten von Menschen nachzuspüren. Dieser Tag war entscheidend für ihr weiteres Leben gewesen. Sie hatte als Zwölfjährige mit ihrer Klasse ein Museum besucht. In der anthropologischen Abteilung hatten sie die Dioramen betrachtet, und der Lehrer hatte ihnen vom Leben der Indianer in dem rekonstruierten Dorf hinter der Glasscheibe erzählt. Erica war von tiefer Ehrfurcht ergriffen worden, als sie sich vorstellte, dass diese Menschen seit langem tot und doch hier waren und Leuten von heute veranschaulichten, wie sie gelebt hatten! Wie schön es doch war, Menschen nicht sterben und in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern eine lebendige Erinnerung an sie zu bewahren.
    Wer bist du?, fragte Erica stumm den ovalen Schädel mit den feinen Wangenknochen und der so zerbrechlichen Kinnlade. Wie war dein Name? Wer hat dich geliebt? Wen hast du geliebt? Allein in der Höhle, um sie herum Dunkel und Stille, war Erica, als sie das spröde Skelett der Lady in der so anmutig angewinkelten Seitenlage freilegte, von einer Zärtlichkeit übermannt worden ähnlich der, die man verspürt, wenn man ein Kind tröstet oder ein Baby stillt. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass sie diese vergessenen, sich selbst überlassenen Knochen beschützen musste. Am liebsten hätte sie sie an die Brust gedrückt und in Sicherheit gewiegt.
    Seit diesem Augenblick stand ihr Entschluss fest: Sie wollte die Identität der Frau ergründen, bevor Jared Black die rechtmäßigen Eigentümer der Höhle fand.
    Vielleicht würde der neueste Fund, der heute Nachmittag in der Höhle ausgegraben worden war, einen entscheidenden Hinweis geben. Das seltsame Objekt hatte in etwa die Größe und Form eines kleinen Fußballs und bestand aus

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