2001 Himmelsfeuer
möglich wieder …«
»Und ich verspreche
Ihnen
etwas, Lady. Ich habe bereits meine Anwälte eingeschaltet. Wir lassen diese Höhle versiegeln, den Canyon auffüllen und unsere Häuser und alles drum herum wieder in Ordnung bringen. Und Sie können sich Ihre Indianer und Ihre Knochen wer weiß wohin schieben. Kapiert?«
Pinzette und Skalpell lagen bereit, um das geheimnisvolle Bündel aus Kaninchenfell zu öffnen. Sam saß neben Erica auf einem Hocker. Sein Magen knurrte, weil er sich – mal wieder – eine Hungerkur verordnet hatte. Luke war damit beschäftigt, einen Film einzulegen, Belichtung und Tiefenschärfe zu überprüfen.
»Meine Herren?«, sagte Erica. »Sind wir so weit?«
Ehe einer antworten konnte, betrat Jared den Wohnwagen, ließ die Aluminiumtür hinter sich zuschnappen, um den kalten Nachtwind fern zu halten. Er hatte noch mit Zimmerman konferiert, um weitere Informationen aus ihm herauszuholen. »Genau das, was ich erwartet habe. Sie wollen sich auf die Gewährleistungspflicht der Baufirma berufen und vorbringen, dass das Gelände nicht ordnungsgemäß planiert worden ist. Wenn das Gericht diese Ansicht teilt und auf Durchführung entsprechender Ergänzungsmaßnahmen erkennt, wird der Baufirma nichts anderes übrig bleiben, als den Canyon aufzuschütten.«
»Können Sie was dagegen unternehmen?«
»Das werde ich mit allen Mitteln versuchen.« Jared sah auf das Tablett und runzelte die Stirn. »Ist das ein Tier?«
»Nein. Etwas, das in ein Tierfell eingewickelt ist.«
»Alt?«
»An die dreihundert Jahre, würde ich sagen. Dr. Fredericks, unser Dendrochronologe, hat Proben von hier heimischen Bäumen genommen und festgestellt, dass ein Großteil dieser Gegend vor dreihundert Jahren einem Flächenbrand zum Opfer fiel. Mikroskopische und chemische Analysen einer dünnen Schicht Ruß und Asche auf dem Boden der Höhle entsprechen der Konsistenz der Rinde jenes Kernholzes. Das Fell hier lag unterhalb dieser Schicht, was bedeutet, dass es dort vor mindestens dreihundert Jahren zurückgelassen wurde. Könnte von den Chumash sein. Die Perlen ähneln denen, die sie als Zahlungsmittel verwendeten.«
Erica stellte den beweglichen Arm der Lampe so ein, dass das Licht voll auf das Bündel fiel, dann ging sie daran, mit Pinzette und Skalpell die Sehnen durchzutrennen, die um das Kaninchenfell geschlungen waren. Luke hielt jede Phase im Bild fest.
Durch die dünnen Wände des Wohnwagens hörte man draußen Leute vorbeigehen, Lachen und Rufen, derweil im Inneren Jared, Sam und Luke mit angehaltenem Atem Erica über die Schulter schauten.
Nachdem sie die Sehnen zerschnitten und mit äußerster Vorsicht beiseite geschoben hatte, klappte sie behutsam und so, als habe sie ein lebendiges Wesen vor sich, das brüchige Fell an den Kanten auseinander, so lange, bis die letzte Schicht Fell abgelöst war.
Allgemeine Verblüffung machte sich breit. »Ich fasse es nicht!«, platzte Luke heraus. »Wie kommt
die
denn hierher?«
»Großer Gott«, murmelte Sam und fuhr sich mit den Händen durch die Mähne.
»In welcher Schicht, sagten Sie, haben Sie das da gefunden?«, fragte Jared ungläubig.
Ericas Stimme klang genauso verwundert. »Unmittelbar unter dem Jahr sechzehnhundert.« Sie zwinkerte verwirrt. »Diese Ära ist nicht mein Fachgebiet, ich müsste einen Historiker fragen, aber anhand der kunstvollen Ausführung und der verwendeten Materialien würde ich mal sagen, sie wurde so etwa vor vierhundert Jahren angefertigt. Ein holländisches Fabrikat, meiner Meinung nach.«
»Aber das ist doch unmöglich«, wandte Luke ein. »Da waren doch noch keine Europäer in Kalifornien! Erst zweihundert Jahre später.«
»So steht’s in den Geschichtsbüchern, Luke, aber an ihrem Alter besteht kein Zweifel. Ebenso wenig wie ein Zweifel daran besteht« – sie hielt den überraschenden Fund ans Licht –, »dass dies hier eine Brille ist.«
Kapitel 4
Marimi
1542
» E in Meeresungeheuer! Ein Meeresungeheuer!«
Alle stürzten zum Strand, um zu schauen, wohin der Junge deutete. Und tatsächlich, da draußen auf den Wellen trieb ein Tier, wie es noch keiner je gesehen hatte.
Man schickte nach der Medizinfrau. Sie kam mit ihrem zauberkräftigen Rauch und dem Sonnenstab an, ein hochgewachsenes junges Mädchen in einem hübschen, aus Gräsern geflochtenen Rock, über dem sie einen kurzen Umhang aus Seeotterfell trug und an den Ohrläppchen Röhren, die aus dem Beinknochen eines Pelikans gefertigt und mit den
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