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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gehüllt, die dunklen Augen voller Trauer, ihn beobachtete. Wie konnte er ihr begreiflich machen, dass er diese Hölle, in die ihn seine Kumpane geschickt hatten, nicht ertrug, dass ein Mann eine Aufgabe brauchte, dass er wahnsinnig wurde, wenn er nichts weiter tat als essen und spielen und Pfeife rauchen? »Ich bin ein gebildeter Mann!«, brüllte er dem Wind zu. »Ich verfüge über Verstand und ich bin wissbegierig! Soll ich denn hier versauern?!«
    Marimi trat auf ihn zu und griff nach seinen Händen, drehte die Handflächen nach oben. Sie sagte etwas, aber er schüttelte nur den Kopf. »Ich kann dich nicht verstehen.«
    Sie wies auf die Kanus am Strand, auf die Harpunen und Netze. Sie zählte die Namen der Fischer auf, die er kennen gelernt hatte. Sie deutete zur Hütte des Mannes, der Steinmesser herstellte, dann zur Unterkunft der älteren Frau, die Muschelperlen fertigte. Sie hielt ihm seine eigene Hand vors Gesicht und fragte etwas.
    »Was ich mache? Willst du das wissen?« Godfredo hatte immer wieder versucht, ihr seinen Beruf zu erklären, aber wie erklärt man einem Mädchen, das das Alphabet nicht kennt und nicht schreiben kann, dass er Chronist war?
    Und dann kam ihm die Erleuchtung. »Himmel noch mal! Jetzt weiß ich, was du mir sagen willst! Deshalb bin ich doch aufgebrochen! Um die Reisen und Entdeckungen abenteuerlustiger Männer aufzuzeichnen! Und was tu ich? Hock auf meinem Hintern und warte drauf, dass man mich rettet!«
    Am liebsten hätte er sie auf der Stelle geküsst und es auch beinahe getan, wenn sie ihn nicht plötzlich so merkwürdig angeschaut hätte, so als hätte sie seine Absicht erkannt, und zurückgewichen wäre.
    Godfredos düstere Stimmung schlug um in Begeisterung für sein Vorhaben. Als Erstes tauschte er seinen eleganten Samthut gegen eine Hand voll Federn aus dem Kopfschmuck des Häuptlings und schnitzte sich daraus Schreibkiele. Einem Jäger bot er sein wattiertes Wams für das Fell des Rehs an, das dieser in den Bergen erlegt hatte, und tagelang, derweil der Stamm sich an Wildbret delektierte, sah man ihn das Rehleder bearbeiten, abschaben, spannen und mit Kalk und Bimsstein glätten, bis er etwas hatte, was er Pergament nannte. Tinte lieferte ihm der Saft des Tintenfischs.
    Er war bereit, mit seinen Aufzeichnungen zu beginnen. Dazu musste er erst einmal wissen, wo er eigentlich war.
    Als die Spanier auf ihrem Weg nach Norden diese Ebene gesichtet hatten, hatten sie sie Tal des Rauchs genannt. Nicht nur wegen der vielen Lagerfeuer, die zu erkennen gewesen waren, sondern auch wegen der planmäßig gelegten Buschfeuer, die Marimi zufolge neues Wachstum beschleunigten und verheerende Flächenbrände verhinderten. Einen solchen Flächenbrand hatte Godfredo bereits mitbekommen; tagelang hatte das Feuer gewütet, genährt von dichtem und trockenem Gestrüpp. Um dem zuvorzukommen, brannten die Indianer von Zeit zu Zeit und kontrolliert bestimmte Regionen ab. Natürlich mit der Folge, dass sich der Rauch wegen der umstehenden Berge nicht so schnell verflüchtigte und über dem Becken lagerte; an manchen Tagen waren nicht einmal mehr die Gipfel der Berge auszumachen.
    Godfredo beschloss, eine Landkarte anzufertigen.
    Marimi führte ihn. Wenn sie vor ihm die Pfade beschritt, schwankten ihre üppigen Hüften vor seinen Augen, und hin und wieder erspähte er durch ihren Grasrock hindurch einen weichen, bronzefarbenen Schenkel. Auf Hügelkämmen hielt sie inne, deutete auf Flächen, nannte sie beim Namen. Auf der nördlichen Seite der Topaa-ngna-Berge lebten die Chumash, ihr Dorf hieß Maliwu. Godfredo wiederholte das Wort, sagte aber fälschlicherweise Malibu, worüber Marimi lachen musste. Die Topaa und Chumash waren verfeindet und vermischten sich nicht. Ihre Grenze bildete der Maliwu-Fluss, und zu Godfredos Verwunderung verfügten sie über eine eigene Sprache. »Aber sie leben doch mal gerade auf der anderen Seite der Berge!« Dann aber fiel ihm ein, dass Frankreich und Spanien ja auch nur durch ein Gebirge getrennt waren. Marimi machte ihn auf weitere Ansiedlungen aufmerksam: auf die der Kawengna und die der Simi. Sie zogen über die Gipfel in ein mit Eichen durchsetztes Tal. Da es keinen Namen hatte, nannte Godfredo es nach den Bäumen – Los Encinos.
    Auf ihrer Wanderung vorbei an mehreren Topaa-Dörfern und Siedlungen anderer Stämme fiel ihm auf, dass es nirgendwo Krieger gab. Speere und Pfeile schienen hauptsächlich für die Jagd bestimmt zu sein, nicht aber für den Krieg.

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