2001 Himmelsfeuer
das wunderbare Gefühl von Seide und Perlen auf ihrer braunen Haut vermitteln, ihr die großartigen, von Menschenhand errichteten Monumente zeigen, sie mit Kunstwerken vertraut machen, mit Parfüms und Tapisserien und Tellern aus Silber und Gold; er würde mit ihr ausreiten und sie mit Köstlichkeiten überraschen, wie sie sich das mit ihrer schlichten Denkweise niemals auch nur erträumen könnte.
In dieser Nacht beobachtete er sie besonders eingehend. In leicht vorgebeugter Haltung machte sich Marimi an ihrem Mahlstein zu schaffen. Ihre Brüste wogten verführerisch. Sie hatte sich mit rotem Ocker bemalt, der ihren Körper schimmern ließ und die sinnlichen Hügel und Täler ihrer prallen Figur betonte. Ihr Anblick schürte sein Verlangen nach ihr. Was an diesem so ursprünglichen Geschöpf verzauberte ihn eigentlich derart? Da war zum einen, dass sie ihm das Leben gerettet hatte. Als er damals, vor Monaten, an Land gespült worden war, hatte niemand ihn auch nur anrühren wollen. Einzig Marimi hatte den Mut gefunden. Aber da war noch mehr. Die Anmut zum Beispiel, mit der sie sich unter ihrem Volk bewegte. In Spanien hatte er Frauen erlebt, die einen ähnlichen Status innehatten, Nonnen von hohem Rang oder wohlhabende und einflussreiche Damen, aber anmutig waren nur wenige, und viele nutzten ihre Sonderstellung und ihre Privilegien aus.
Auch eine gewisse Verletzbarkeit war Marimi eigen. Diese merkwürdigen Anfälle, die sie von Zeit zu Zeit heimsuchten, jählings und wo immer sie sich befand. Beim ersten Mal war er furchtbar erschrocken. Sie hatte vor Schmerz aufgeschrien und war auf dem Boden zusammengesackt. Die Männer hatten sich verzogen, die Frauen waren herbeigestürzt und hatten sie in ihre Hütte getragen. Vom Eingang aus hatte Godfredo gesehen, wie sie in stummer Qual den Kopf von einer Seite zur anderen geworfen hatte, dann in einen tiefen Schlaf gesunken war und später von Visionen berichtet hatte. Die Frauen hatten ihm bedeutet, dass dies eine heilige Krankheit sei, die ihr ermögliche, mit den Göttern in Kontakt zu treten. Auch in Spanien gab es solche Leute, fromme Mönche und Nonnen. Aber das waren Christen, die zu Heiligen sprachen, während Marimi eine Heidin war. Und vereinsamt. Denn obwohl sie Teil des Stammes war, ja sogar weitgehend der religiöse Mittelpunkt, stand sie doch im Abseits und lebte für sich allein. Während abends aus den anderen Hütten Stimmengewirr und Lachen drangen, Flötenmusik, die Geräusche der Stöckchen beim Glücksspiel, wenn Männer sich lauthals bei ihren Wetten zu übertrumpfen versuchten und Kinder weinten, blieb es in Marimis Hütte still. Ihre Einsamkeit ließ ihn an seine eigene denken, an die, die sein Herz erfüllte, seit er die drei Gräber in Spanien hinter sich gelassen hatte, seit dem Tod seiner Frau und der Söhne, die ihm das Fieber, das in der Stadt wütete, entrissen hatte.
»Du holde Maid!«, schrie es qualvoll in ihm auf, »merkst du nicht, wie sehr ich mich nach dir verzehre?«
In der letzten Nacht im Lager an den Pechtümpeln fand Godfredo schließlich den Mut, Marimi zu sagen, was ihm auf der Seele brannte. Er erzählte ihr von den Wundern in seiner Welt und wie gern er ihr dies alles zeigen würde. Zu seiner Überraschung fing sie bitterlich zu weinen an und gestand ihm, dass auch sie sich nichts sehnlicher wünschte, als seine Frau zu werden und ihm dorthin zu folgen, wo immer er hinging, dass dies jedoch unmöglich sei. Sie habe sich ihrem Volk verpflichtet und müsse ihr Keuschheitsgelübde einhalten.
Ihr Geständnis kam für Godfredo völlig unerwartet. Bei all seiner fleischlichen Begierde nach dem Mädchen war es ihm nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, was sie für ihn empfinden mochte, geschweige denn davon auszugehen, dass sie das Gleiche für ihn empfand. Jetzt, da sie sich erklärt hatte, schien sein Verlangen nach ihr durch jede Pore seiner Haut zu dringen und sich zu den Sternen emporzuschwingen. »Ich ertrage es nicht, ohne dich wegzugehen!«, rief er. »Aber wenn ich bleibe, darf ich dich auch nicht besitzen! Marimi, wenn du mit mir kommst, gilt dein Gelübde nicht mehr, und wir können heiraten.«
Mit ihm zu gehen, sagte sie unter Tränen, sei für sie unmöglich, und er dürfe nie wieder von seinen Gefühlen für sie sprechen, das sei tabu und würde Unheil über den Stamm bringen.
In dieser Nacht tobte Aufruhr in Godfredo, und da er keine Ruhe fand, stürzte er hinaus in die von Modergeruch durchzogene Nacht,
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