2001 Himmelsfeuer
streifte um die stinkenden Pechtümpel, ohne denen Beachtung zu schenken, die wie ihn der Schlaf floh. Auf und ab ging er und machte zwischendurch seinem Herzen Luft, in einer Sprache, die keiner von denen, die zufällig Zeugen dieser Szene wurden, verstand. Das Volk aus Cahuilla und Mojave und den weiter entfernten Dörfern beobachtete von ihren Lagerfeuern aus, wie der gequälte weiße Mann mit den Dämonen rang.
Und dann kam Godfredo ein Gedanke: Er wollte den Topaa die moderne Welt nahe bringen. Wenn er sie darin unterwies, Papier herzustellen und Metall zu gewinnen, wenn er ihnen den Gebrauch des Rades veranschaulichte und dass man sich Tiere zur Beförderung von Lasten nutzbar machen konnte, wenn er ihnen zeigte, wie man Häuser aus Stein baute und nach der Uhr lebte, würde er Marimi damit die Augen öffnen, und sie würde erkennen, wie wenig sie vom Leben wusste, und sich von ganzem Herzen wünschen, ihm nach Europa zu folgen.
Sein Vorhaben scheiterte.
Obwohl jedes Projekt zunächst eine interessierte Zuhörerschaft anzog, verlor es alsbald seinen Reiz, und die Leute blieben weg. Sie bewunderten zwar die Kerzen, die Don Godfredo hergestellt hatte, aber als sie dann heruntergebrannt waren, sahen sie keinen Grund, weitere Kerzen zu formen. Mit der groben Seife, die er fabriziert hatte, schrubbten sie sich übermütig im Meer ab, als aber die Seife aufgebraucht war, war auch ihre Begeisterung erschöpft. Er legte ein kleines Feld mit Sonnenblumen an und erklärte ihnen, dass sie auf diese Weise das ganze Jahr über Sonnenblumenkerne haben könnten; als die Blumen verdorrten, weil sich keiner um sie kümmerte, erstarb auch jegliches Interesse daran. Wozu Veränderungen, fragten sie, wenn sie seit Anbeginn der Zeit auf ihre Weise gelebt hatten und zufrieden damit waren? »Veränderung ist Fortschritt«, versuchte er zu erklären. Aber Fortschritt war zu seinem Bedauern etwas, was sie nicht verstehen konnten.
Er suchte Marimi auf und fragte nochmals, ob sie von ihrem Gelübde entbunden werden könnte.
»Gibt es in deinem Land Frauen, die sich und ihre Unberührtheit den Göttern geweiht haben?«, kam die Gegenfrage.
»Ja. Die Klosterschwestern.«
»Wenn du nun eine von ihnen begehrtest, würdest du dann versuchen, sie zu überreden, ihr Gelübde zu brechen?«
Er umfasste ihre Schultern. »Marimi, Ehelosigkeit ist ein Gesetz, das Menschen gemacht haben, nicht Gott!«
»Sprichst du zu deinem Gott?«
Seine Hand glitt von ihr ab. »Ich glaube nicht an ihn.«
Sie griff nach dem goldenen Kruzifix an seinem Hals. »Und dieser Jesus. Glaubst du an ihn?«
»Jesus ist ein Mythos. Gott ist ein Mythos.«
Marimis schwarze Augen blickten ihn unendlich traurig an. Die Krankheit, die Godfredos rechtschaffene Seele umfangen hielt, war offenkundig: Er musste etwas finden, woran er glauben konnte.
Es dauerte wiederum zwei Tage, um von den Pechtümpeln über den alten Trampelpfad in das Tal von Topaa-ngna zu gelangen.
Als sie das Gebirge erreichten, schlugen Godfredo und Marimi einen Weg durch dichtes Chaparral und wilden Flieder ein und kamen zu einer Lichtung, auf der ein Kojotenweibchen sich höchst eigentümlich gebärdete: Es duckte sich auf den Boden, hob die Schnauze, um dann urplötzlich mit Schnappbewegungen in Schrägrichtung hochzuspringen, wieder zu landen und wie verrückt in der Erde zu wühlen. Da dieses Schauspiel andauerte, ging Godfredo in Deckung, aus Angst, es könnte sich um ein tollwütiges Tier handeln. Aber Marimi lachte nur und sagte, das Kojotenweibchen stelle Regenkäfern nach. Und dass der Kojote »der Trickreiche« genannt werde, weil es seine Art sei, sich tot zu stellen, um Geier anzulocken und sich dann ihrer zu bemächtigen.
Vor einer Höhle in einem kleinen Tal blieb Marimi stehen. »Allen außer mir und den Medizinmännern«, sagte sie, »ist es verboten, diese Höhle zu betreten. Dies gilt für alle Topaa sowie für die Mitglieder anderer Stämme. Du jedoch, Godfredo, bist eine Ausnahme, deine Ahnen wohnen sehr weit weg, und ich glaube, dass du mit deinen Augengläsern, die dich Dinge sehen lassen, die andere nicht sehen können, und die auf wundersame Weise ein Feuer zu entzünden vermögen, also dass du in deiner Welt so etwas wie ein Schamane bist. Und deshalb diese heilige Höhle betreten darfst.«
Sie führte ihn hinein und flüsterte andächtig: »Unsere Erste Mutter ruht hier.«
Godfredo sah, dass das Grab alt war, vielleicht tausend Jahre oder noch älter, und als
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