2001 Himmelsfeuer
Arbeit unterbrach und die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte verschränkte, das geschorene Haupt für einen Augenblick gebetserfüllter Reflexion neigte. Am eindrucksvollsten waren jedoch, wie Teresa fand, seine Augen, sanft und wie die eines Rehs, Türen zu einem stillen, entlegenen Ort, wo es weder Zorn noch Gewalttätigkeit gab, weder Schmerz noch Tod. Zuweilen, wenn Teresa das Leid ihres Volkes, das in erschreckendem Maße von Krankheiten heimgesucht wurde, nicht mehr ertragen konnte, blickte sie in Bruder Felipes moosgrüne Augen, und dann war ihr, als würde sie von ihnen aufgesogen und mitgerissen werden in jene wunderbare, friedliche Abgeschiedenheit.
So war es jedenfalls bis vor kurzem gewesen. In letzter Zeit war jedoch eine Veränderung mit Bruder Felipe vor sich gegangen, eine so unmerkliche Veränderung, dass vielleicht nur Teresa, die Tag für Tag mit ihm im Kräutergarten arbeitete, sie wahrnahm. Schon weil sie weniger in seinem Verhalten und in dem, was er sagte, zum Ausdruck kam, sondern vielmehr in dem umflorten, seltsam gehetzten Blick, der so ganz anders war als vor drei Jahren, bei seiner Ankunft in der Mission.
Teresa verzehrte sich in Liebe für den jungen Mönch, aber sie durfte sich ihm nicht erklären. Bruder Felipe war ein heiliger Mann, der sein Leben Gott und der Läuterung der Seelen geweiht hatte. Wie allen Padres der Mission waren ihm Gedanken um das Zusammenleben von Mann und Frau, um Liebe und körperliche Vereinigung fremd. Er hatte sich dem Zölibat verpflichtet, ein Gelübde, das es in Teresas Volk nicht gab, wiewohl man sich bei den Topaa die wundersame Geschichte von einem Helden erzählte, der eines Tages aus dem Meer kam und sich in die Medizinfrau des Clans verliebte. Dies hatte sich Generationen zuvor ereignet, zu einer Zeit, da den Medizinfrauen die Ehe noch nicht gestattet war und sie ein Leben in Keuschheit führen mussten. Nachdem der Held dann aber doch diese eine Medizinfrau zur Frau genommen hatte, wurde allen nachfolgenden die Ehe zugestanden, so auch Teresas Mutter, und deshalb hoffte Teresa ungeachtet dessen, dass sie zur neuen Medizinfrau des Clans bestimmt war, eines Tages ebenfalls zu heiraten. Aber nicht irgendjemanden. Sie wollte Felipe.
»Der Fingerhut«, sagte er gerade, und Teresa hörte aus seiner Stimme eine Gereiztheit heraus, die mit Sicherheit gestern noch nicht vorhanden gewesen war. Hatte er Heimweh? Sehnte er sich nach dem Land seiner Ahnen? Teresa hatte noch nie erlebt, dass jemand, ob Topaa oder Fremder, froh gewesen wäre, längere Zeit von seinem Stamm fort zu sein. Die Padres dagegen weilten bereits seit sechs Jahren hier, errichteten ihre merkwürdigen Hütten, bauten seltsame Dinge an und weideten noch seltsamere Tiere, und nichts deutete darauf hin, dass sie über kurz oder lang wieder aufzubrechen gedachten. Aber Bruder Felipe war nicht wie die anderen Padres, die entschlossener wirkten. Felipe war sanftmütig, kaum der Jugend entwachsen, hatte ein blasses Gesicht, das umso schneller errötete, und ein schüchternes, hinreißendes Lächeln. Gelegentlich befand Teresa, Bruder Felipe sei gar kein menschliches Wesen, sondern ein guter Geist, den die Vorfahren gesandt hatten, damit er die Topaa beschütze, solange die Padres hier waren.
Teresa war vor drei Jahren in die Mission gekommen, damals, als man ihr Dorf mit der Zusage, hier würden sie verköstigt werden, hergelockt hatte. Sie hatte vorgehabt, mit ihrer Mutter über das Meer ins Dorf zurückzukehren, aber die Mutter war krank geworden und trotz der Fürsorge der Franziskanerpadres gestorben. Als Teresa sich dann mit ihren erst vierzehn Jahren und von Kummer und Schmerz niedergedrückt auf den Heimweg machen wollte, hatte Bruder Felipe, nicht anders als die anderen Padres, die jeden Topaa aufnahmen, der bereit war, fortan in der Mission zu leben, ihr angeboten, hier zu bleiben. Sie hatte in seine sanften grünen Augen geschaut, die sie an Waldseen und dunstverhangene Lichtungen denken ließen, und eingewilligt.
Und Bruder Felipe zuliebe hatte sie sich ein paar Monate später dazu durchgerungen, sich taufen zu lassen.
Was das Wasser auf dem Kopf zu bedeuten hatte, wusste Teresa ebenso wenig wie die mit ihr getauften Topaa, die in der Mission lebten und jetzt lernten, wie man Felder bestellte und erntete, wie man Kühe molk, Decken webte und Töpferwaren herstellte, und dies alles erträglicher fanden als das Leben im Dorf, wo man zur Beschaffung von Nahrung fischen gehen
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