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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und Pfeile gezeigt hatten, zum Zeichen ihrer Absicht, die Geister des Landes zu beschützen, hatten die Fremden eine Frau hochgestemmt, sodass alle sie sehen konnten. Da man sie für eine Medizinfrau hielt, verstummte das Volk und wartete auf eine Äußerung von ihr. Aber sie tat nichts dergleichen, bewegte sich auch nicht. War sie etwa tot? Aber sie hatte doch die Augen geöffnet und lächelte! In der Annahme, sie sei eine heilige Frau, legten die Häuptlinge daraufhin ehrfürchtig Bogen und Pfeile nieder, und ihre Mütter und Schwestern traten näher, um ihr Perlen und Samenkörner darzubringen. Als dann die Fremden eine Unterkunft für die mitgeführte Frau bauten und ihr Blumen zu Füßen legten, brachten ihr auch die Topaa und Tongva Opfergaben dar. Damals hatte sich Teresa gewundert, dass die Frau so lange stillhielt, aber inzwischen wusste sie einiges über Bilder und dass dies keineswegs eine lebendige, sondern die Wiedergabe einer Frau war, auf etwas, das »Leinwand« genannt wurde. Dennoch bestand sowohl bei den Eindringlingen wie auch beim Volk Einstimmigkeit darüber, sie als »die hohe Frau« zu bezeichnen.
    Nach sechs Jahren fragten sich Teresa und die Topaa noch immer, warum die Fremden hier waren. Sehr viel länger würden sie bestimmt nicht mehr bleiben, spekulierten Häuptlinge und Medizinmänner und -frauen, denn niemand konnte über einen größeren Zeitraum von seinen Ahnen getrennt sein. Noch dazu so weit weg von ihnen – nach ihren eigenen Worten hatten die Padres eine schier unvorstellbare Strecke zurückgelegt. Noch etwas anderes verstörte Teresa im Zusammenhang mit den Fremden, so großzügig sie sich auch gaben. Im Frühjahr war der Häuptling der Padres zu Besuch gekommen. Ein kleinwüchsiger Mann – die Topaa überragten ihn bei weitem –, der sich Junipero nannte, nach dem Wacholderbusch. Teresa hatte mitbekommen, dass Padre Serra ihm von einem Volk namens Indianer berichtete, das in einer Mission mit Namen San Diego einen Aufstand verursacht habe und dass dies höchst bedenklich sei. Daraufhin hatte Junipero zu den Padres gesagt: »Die geistlichen Väter sollten imstande sein, ihre Söhne, die Indianer, zur Strafe auszupeitschen.«
    So vieles an der Einstellung der Padres verstörte Teresa. Die strenge Bestrafung beispielsweise, als die Priester merkten, dass die Frauen einen speziellen Kräutertrank zu sich nahmen, um eine Empfängnis zu verhüten. Dabei wusste doch jeder, dass die kontrollierte Empfängnis zum Besten des Stammes geschah und verhinderte, dass er zu groß wurde, weil dann die Versorgung mit Nahrung nicht mehr gewährleistet wäre. Dass, wie die Götter die Topaa Generationen zuvor gelehrt hatten, zu viele Menschen nicht genug zu essen bedeutete und Hungersnot drohte. Aber die Antwort der Padres war, mehr anzubauen. Sie unterwiesen die Topaa im Säen und im Bewässern der Keimlinge und Pflanzen sowie im Ernten von Mais und Bohnen und Kürbissen, die sie als Samen aus ihrer weit entfernten Welt mitgebracht hatten. Da es also jetzt genug zu essen gäbe, sollten die Frauen nicht länger verhüten. Teresa jedoch sah Unheil darin, ein Muster, das die Götter zu Anbeginn der Schöpfung gewebt hatten, aufzulösen und auf die Vermehrung von Nahrung und Menschen bedacht zu sein, bis keine Handbreit Platz mehr im Land war.
    Außerdem ging die Rechnung der Padres schon deshalb nicht auf, weil noch immer nicht genug angebaut wurde, um die Versorgung der Soldaten in den Garnisonen sicherzustellen, sodass inzwischen die Menschen in den Dörfern verhungerten und zusehends mehr Topaa, Tongva und Chumash in der Mission vorsprachen und den Padres die leeren Körbe mit der Bitte um Lebensmittel entgegenhielten. Und die Padres füllten sie, aber nur, wenn die Indianer blieben und Christen wurden. So kam es, dass Teresas Volk sich den Bauch mit Jesus und Weizen voll schlug und zuließ, fortan Juan und Pedro und Maria zu heißen.
    Ihre Gedanken kehrten zurück zu Bruder Felipe und ihrem zunehmenden Bangen, eine Krankheit fresse seinen Geist auf.
    Wenn Teresa in die Seele des jungen Mannes hätte sehen können, hätte sie dort ein Verlangen entdeckt, das ihn verzehrte wie ein Feuer. Felipe war aus einem einzigen Grunde in die Neue Welt gekommen: den Zustand der Ekstase zu erfahren. Bislang war ihm dies versagt geblieben. Eine Ekstase wie vor fünfhundert Jahren der selige Bruder Bernard de Quintavalle, überlegte Felipe jetzt, als er auf die glockenförmigen Blüten in seinen Händen

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