2001 Himmelsfeuer
dann fiel ihm ein, wie Luisa eben noch in der Siedlung in scharfem Ton ihre indianischen Dienerinnen angefahren hatte, die darum bemüht waren, mit Öl und Tüchern die Möbel ihrer Herrin zu polieren und in Schuss zu halten. Seit sie ihr kleines Mädchen in der Sonora-Wüste beerdigt hatten, war Luisa geradezu versessen auf die Pflege ihrer Stühle und Truhen. Würden etwa diese Möbel zu Luisas Kindern werden? Würde ihr der Zustand ihres kostbaren Schreibtischs bald mehr am Herzen liegen als das Wohlbefinden ihres Mannes?
Plötzlich sah er die Zukunft in düsterem Licht vor sich: Doña Luisa, kinderlos und ohne Freunde – die Frauen der Siedler waren kaum die geeignete Gesellschaft für eine hochwohlgeborene spanische Dame –, würde mit den Jahren immer verbitterter werden, stumm zwischen ihren Möbeln herumschleichen, nach angelaufenem Silber und Staub Ausschau halten, ihren indianischen Mädchen wegen ihrer Fruchtbarkeit gram sein und ihnen das dadurch vergelten, dass sie ihnen unsichtbare Schlieren hier und nicht vorhandene Flecken dort ankreidete. Sich selbst sah Lorenzo vernachlässigt, vergessen, Trost suchend in den Armen braunhäutiger Frauen, während er bei sich zu Hause keinerlei Freude fand, die,
Dios mío,
einem Mann doch zustand! Um Derartiges erleben zu müssen, war er wahrlich nicht nach California gekommen!
Ein neues Baby musste her. Nur dass Doña Luisa seine Avancen zurückwies und Lorenzo, Gentleman, der er war, sie niemals zwingen würde und auch nichts dafür übrig hatte, mit einer Frau zu schlafen, die sich tot stellte.
Seine gute Laune war dahin. Lorenzo beschloss deshalb, auf die Jagd zu gehen. Als er sein Pferd in Richtung der Berge von Santa Monica herumwarf, überlegte er: Etwas Großes sollte es sein. Nur Rotwild oder ein Grizzly konnten ihn heute befriedigen.
Während die Padres und der Gouverneur feierten und die neuen Siedler einen ersten Blick auf das ihnen zugeteilte Land warfen und darüber beratschlagten, was sie hier bauen und dort anpflanzen würden, schnappte sich Teresa klammheimlich ein Maultier und schlug, ihr Töchterchen im Arm, den alten Pfad ins Gebirge ein.
Am späten Nachmittag gelangten sie an ihr Ziel, saßen ab, und Teresa, die bei jedem Atemzug einen stechenden Schmerz in der Brust spürte, führte Angela an den Zeichen des Raben und des Mondes vorbei zum kleinen Tal und in die Höhle.
Die Sonne ging in einem so schrägen Winkel unter, dass ihre Strahlen jetzt direkt auf die bemalte Wand fielen. »Das hier ist die Geschichte der Ersten Mutter«, sagte Teresa. Die Geschichten drohten in Vergessenheit zu geraten, da in den Dörfern immer weniger Menschen lebten und abzusehen war, dass es sie eines Tages gar nicht mehr gab. Die Stämme, die in die Mission gezogen waren, hatten sich miteinander vermischt – Tongva mit Chumash, Kemaaya mit Topaa –, und die Padres bezeichneten sie einheitlich als Gabrielino oder Fernandeño, je. nachdem, wie die Mission hieß. Nachts wurden entweder die falschen Geschichten erzählt oder gar keine. Das heißt, um die Ahnen der Topaa noch schneller in Vergessenheit geraten zu lassen, erzählte man ihnen von Jesus und Maria. Teresa jedoch wollte Angela mit den richtigen Geschichten vertraut machen und ihr einschärfen, sie weiterzugeben und damit das Wissen um ihre Vergangenheit zu erhalten.
»Du sollst nicht so leben wie die Eindringlinge«, sagte sie und nahm das Kreuz ab, das sie um den Hals trug. »Sie verstehen unser Volk nicht.« Die Mienen der Padres, als sie ihnen gesagt hatte, sie sei schwanger! Das stundenlange Verhör – wer war der Mann? –, ihr Beharren darauf, dass dieser Vater, wer immer er war, in die Mission geholt und getauft werden sollte. Aber Teresa hatte beharrlich geschwiegen. Wie jede Topaa wusste sie, dass sie niemandem Rechenschaft über ihren Körper schuldete. Diese Männer, die sich »Vater« nannten, obwohl sie das Gelübde der Keuschheit abgelegt und schon deshalb keine Kinder zeugen durften, versuchten den Eingeborenen Vorschriften zu machen, wie sie sich zu verhalten hatten! Eine derartige Unverschämtheit würde sich kein männlicher Topaa herausnehmen.
Teresa vergrub das auf Blütenblätter gebettete Kruzifix und erklärte Angela, dies sei ein Geschenk für die Erste Mutter. Bei ihrem Fieber und krank, wie sie war, wurde ihr gar nicht bewusst, dass dieser Akt auch etwas Symbolisches an sich hatte, dass sie damit ihre neue Religion in den Armen der alten begrub.
Sie nahm den
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