2001 Himmelsfeuer
Er lächelte. »Und Ihre Wangen die von Washington-Äpfeln.«
»Schrecklich, dass ich immer gleich rot werde. Ich beneide Frauen, denen man nicht anmerkt, was in ihnen vorgeht.« Sie trat zurück. »Fertig. Für die Zukunft gebe ich Ihnen den guten Rat, nicht mit Messern herumzuspielen.«
»Säbeln.«
»Womit auch immer.« Sie unterdrückte ein Grinsen.
»Ich hab nichts übrig für Frauen, denen man nicht anmerkt, was in ihnen vorgeht. Steht Ihnen gut, wenn Sie rot werden. Wie Ihr Kleid.«
Jetzt glühten ihre Wangen. Seine Augen tauchten einen Herzschlag lang in ihre, dann wandte er sich ab, um das Band von einem Paket aus der Reinigung zu zerreißen und aus der Plastikhülle ein frisches Hemd herauszuziehen. »Möchten Sie Wein oder lieber Scotch?«
Erica zögerte ganz kurz. »Wein. Weiß, wenn Sie haben.«
Sie sah zu, wie er das Hemd anzog – es sah nach Seide aus und maßgefertigt und teuer –, wie geschmeidig sich der Stoff seinem breiten Rücken anpasste, wie er alle Knöpfe bis auf den obersten schloss und sich dann die Hemdzipfel in die Hose stopfte.
Während er die Gläser füllte, war draußen das leise
pling, pling
von Regentropfen zu vernehmen, die auf dem Dach des Wohnmobils zerplatzten. Beide schauten nach oben, so als wäre die Decke durchsichtig und gäbe den Blick auf die unerwartet aufgezogenen Wolken am Nachthimmel frei. Die intime Atmosphäre verdichtete sich. Erica räusperte sich. »Haben wir wirklich etwas von den Roten Panthern zu befürchten?«
»Wenn es nach denen ginge, hätte ich Ihre Arbeit schon vor Wochen einstellen sollen.« Er reichte ihr ein Glas. »Wissen Sie eigentlich, dass inzwischen neun Stämme Besitzansprüche auf die Höhle angemeldet haben?«
Ihre Brauen zogen sich zusammen. »Ich wusste nicht mal, dass überhaupt jemand sie haben wollte!«
»Zurzeit kämpfen achtzig kalifornische Stämme um staatliche Anerkennung. Das Problem ist, dass dazu ein gesetzlich anerkannter Nachweis ihrer Abstammung erforderlich ist. Ein hier ansässiger Stamm, der eine Beziehung zur Höhle und damit zu dem Skelett geltend machen kann, hat bessere Chancen, ins Verzeichnis der staatlich anerkannten Indianerstämme aufgenommen zu werden und somit Unterstützung zu beanspruchen.« Er schüttete Eis in seinen Scotch. »Der Haken dabei ist, dass die bereits anerkannten Stämme gegen die Anerkennung weiterer Stämme sind, weil sich dadurch die Summe der Unterstützung, die sie jeweils erhalten, verringern würde. Sie und ich stecken also in einer ziemlich unangenehmen Zwickmühle.«
Schweigend nippten sie an ihren Gläsern.
»Warum gehen Sie zum Fechten?«
Er lehnte sich an die Küchenanrichte. Keiner von beiden schien sich setzen zu wollen. »Um mich abzureagieren. Es ist ein Ventil. Wenn ich nicht mit jemandem die Klingen kreuze, wär’s möglich, dass ich mich zu etwas hinreißen lasse, was mir dann Leid täte.«
»Auf wen sind Sie denn so wütend?«
»Auf mich.«
Sie wartete.
Er sah in seinen Drink und lauschte dem Regen, grübelte lange, rang sich zu einem Entschluss durch. »Netsuya war eine Frau«, sagte er, »wie mir noch keine begegnet ist.« Seine Stimme war sanft wie der Regen. »Sie war exotisch, temperamentvoll, leidenschaftlich. Aber mit ihr verheiratet zu sein, war nicht einfach. Sie mochte keine Angloamerikaner und brauchte geraume Zeit, um ihre Liebe zu mir mit ihrer Aufgabe unter einen Hut zu bringen. Häufig besuchte sie Veranstaltungen, zu denen mir der Zutritt verwehrt war.«
Er holte tief Luft, woraufhin sich sein Gesicht schmerzhaft verzerrte, nahm einen Schluck Scotch. Erica spürte, dass er dabei war, eine sehr private Tür aufzustoßen. »Als Netsuya erste Anzeichen einer Schwangerschaft bemerkte«, sagte er, »suchte sie keinen normalen Arzt auf, sondern vertraute sich einer Poma an, einer Hebamme aus ihrem Freundeskreis. Sie wollte das Baby zu Hause bekommen, womit ich durchaus einverstanden war. Aber da wusste ich noch nicht, dass ich nicht bei der Geburt dabei sein durfte. Wegen irgendwelcher geheimnisvollen Rituale, denen beizuwohnen Männern nicht gestattet ist. Ich musste das respektieren.«
Abermals nippte er an seinem Glas, ohne sich allerdings zu entspannen. Erica hatte sogar den Eindruck, als müsste er sich überwinden, überhaupt weiterzureden. »Ich wollte, dass sie einen approbierten Arzt hinzuzieht, aber sie weigerte sich. Weiße Männer, sagte sie, fungierten jetzt seit zweihundert Jahren auch als Geburtshelfer, nur weil sie den weißen
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