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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und bei dem die Luft mit seiner Wut und seinem Kummer zerfetzt, seine Dämonen immer wieder in einer sich endlos wiederholenden Auseinandersetzung mit Schuld und Zorn und Selbstzerfleischung erschlagen werden mussten.
    »Lieber Gott …« Seine Stimme brach. »Ich habe sie beide umgebracht.«
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Nicht doch, Jared. Es war nicht Ihre Schuld.«
    Er wirbelte herum. »War es wohl! Ich hätte dazwischenfunken müssen. Es war auch mein Kind. Das Baby hätte bestmöglich ärztlich versorgt werden sollen. Stattdessen lieferte ich es auf Gedeih und Verderb der Ignoranz und dem Aberglauben aus.«
    Erica suchte nach Worten, wollte beschwichtigen. »Netsuya war doch eine gebildete Frau. Sie hat sich informiert und dann eine Entscheidung getroffen. Es war richtig von Ihnen, ihre Wünsche zu respektieren.«
    Jared starrte in seinen Scotch, seine Hand umklammerte das Glas derart fest, als wollte er es zerquetschen. »Albträume quälen mich«, sagte er leise. »Ich renne, will irgendwo hin und komme immer zu spät. Schweißgebadet wache ich dann auf.«
    Sie schwiegen beide, lauschten dem Regen. Ericas Gefühle lagen blank, so als wäre sie nackt bis auf die Haut den Elementen ausgesetzt. Sie irgendwie zu ordnen, zu bändigen, war unmöglich. Da war Jared mit seinem Schmerz und seinen Schuldgefühlen. Und da war ihr eigener Dämon, boshaft gekrümmt hinter ihrem Herzen. Es drängte sie, Jared zu trösten, sie sehnte sich danach, die Arme um ihn zu legen, seinen Mund auf ihrem zu spüren. Aber sie bewegte sich nicht.
    »Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen«, sagte er. »Sie sind die Erste.«
    Wie konnte sie ihm nur Trost spenden? Im Heim hatte man ihr gesagt, sie solle aufhören herumzujammern, sie sei schließlich nicht die Einzige, die Kummer habe. Die Lehrer hatten ihr geraten, sich durchzusetzen, dann würden die anderen aufhören, sie zu triezen; die Sozialarbeiter hatten sie eine Heulsuse genannt. Erica konnte sich nicht erinnern, irgendwann einmal getröstet worden zu sein. Möglicherweise in der Hippie-Kommune, als ihre Mutter sie noch liebte. Kinder mussten lernen, wie man einen anderen tröstet; zu lieben und zu hassen lernten sie ja auch. Sie brauchten jemanden, der ihnen die Geheimnisse des Tröstens erklärte, sie ihnen vorlebte.
    »Du liebe Zeit«, sagte Jared und stellte unvermittelt sein leeres Glas ab. »Jetzt habe ich Sie viel zu lange aufgehalten.« Ein brüchiger Seufzer. »Dabei hatte ich gar nicht vor, meine Lebensgeschichte vor Ihnen auszubreiten.«
    Voller Entsetzen wurde Erica bewusst, was sie getan hatte. Sie hatte gezögert.
Das
war das Geheimnis, um jemanden zu trösten – man tat es spontan, man stand nicht da und überlegte erst mal, was jetzt angebracht wäre. Erica hielt den Atem an. Wenn sie doch nur die Uhr um eine lächerliche Minute zurückdrehen könnte, bis dorthin, wo er gesagt hatte »Sie sind die Erste«. Dann würde sie auf ihn zugehen, die Arme um ihn legen, sich mit ihrer Wärme an ihn schmiegen und ihm zu verstehen geben, dass da jemand war, der ihn gern hatte.
    Stattdessen hatte sich der Augenblick zu lang hingezogen, wurde kalt und hohl, als Jared, jetzt mit dem Rücken zu ihr, abermals nach der Scotchflasche griff. »Wird höchste Zeit für mich, dass ich gehe«, sagte sie und stellte ihr Glas ab. »Ich habe meine Fenster offen gelassen.«
    Sie wartete.
    Und dann ging sie zur Tür und trat hinaus in die regnerische Nacht.
     
    Bis sie ihr Cocktailkleid ausgezogen hatte und in einen bequemen Jogginganzug geschlüpft war, hatte der Sturm zugenommen, was sich in ihrem Zelt wie verhaltenes Heulen anhörte. Erica stellte sich vor, wie die Ährenfischjäger jetzt zu ihren Autos hasteten und die Fische selbst wie seit Tausenden von Jahren weiterhin ihren Ritt über die Wellenkämme absolvierten, ohne befürchten zu müssen, gefangen zu werden. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Objekt auf ihrem Arbeitstisch, den erstaunlichen Fund von heute Nachmittag auf Ebene  IV .
    Bei seiner Entdeckung war sie überwältigt gewesen, hatte sich darauf gestürzt wie ein Schatzsucher auf einen Goldklumpen. Jetzt, da all ihre Gedanken um Jared kreisten, fragte sie sich zerstreut, was das Objekt eigentlich darstellen sollte und warum sie ihm eine derartige Bedeutung beigemessen hatte.
    Sie zwang sich, die vor ihr liegende Aufgabe anzupacken. Genau das hatte sie ein Leben lang getan, und das hatte sie immer davor bewahrt, im eigenen Kummer zu

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