2005 - Gestrandet in der Nacht
Er wollte nicht glauben, was er gehört hatte. Dann aber sah er, daß sich der Hantelraumer tatsächlich Nacht-Acht näherte. Nach dem Ausfall der Fesselfeldgeneratoren hätte das Gegenteil der Fall sein müssen. „Lassen Sie uns verschwinden!" drängte er. „Die SOL bewegt sich zu schnell. Die Schutzschirme könnten sich berühren, und dann..."
Sie lösten sich von der Oberfläche des Planetoiden, beschleunigten mit Höchstwerten, um sich so schnell wie möglich aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu entfernen. Erst jetzt schalteten sie Ortungsschutz und Deflektorfelder wieder ein. Wie gebannt blickten sie auf die SOL, die immer größer zu werden schien. Mit stetig wachsender Sorge beobachteten sie, wie sich der blau leuchtende Paratronschirm den Schutzschirmen des Planetoidenwürfels näherte. „Tempo!" schrie Tonko Kerzner, obwohl sie bereits die ganze Kapazität ihrer Gravopaks nutzten. „Wir müssen durch sein, bevor die Schutzschirme sich berühren!"
Icho Tolot antwortete nicht. Der Haluter war sich längst klar über die Gefahr, in der sie schwebten.
Mit Hilfe seines Planhirns hatte er ihre Situation analysiert und war zu einem deutlichen Ergebnis gekommen.
7.
In der Steuerzentrale von Nacht-Acht 1 blickte Daram Hassentater bestürzt auf das umfangreiche und komplizierte Instrumentarium, das ihm Überblick über das gesamte Geschehen in Nacht-Acht gab. Er konnte sehen, daß die Schaltstation für die Fesselfeldgeneratoren zerstört worden war, aber er erkannte auch, daß die Generatoren entgegen seiner Planung einen aktivierenden Impuls empfangen hatten. Unmittelbar nach der Explosion hatten sie sich eingeschaltet und arbeiteten seitdem mit voller Kapazität.
Sie hatten den Hantelraumer gepackt und beschleunigt! Sie hatten sich aufgrund einer unkontrollierten Schaltung von ihrer Zentrale unabhängig gemacht.
Auf den großen Ortungsholos konnte Daram Hassentater ablesen, daß das Raumschiff sich Nacht-Acht nun mit bedrohlicher Beschleunigung näherte. „Das war also dein Plan!" rief Aarkum Garventruch. Begeistert richtete er seine Gehirntentakel auf.
Zugleich streckte er dem Stellvertreter des Hohen Lord-Eunuchen die Hände hin, um ihm zu danken. „Ich wußte, daß du ein wahrer Zyniker der Nacht bist und dich voll und ganz mit unseren Ideen identifizierst. Der Hantelraumer wird auf Nacht-Acht stürzen und unserer sinnlosen Existenz ein Ende bereiten."
Daram Hassentater verschlug es die Sprache.
Genau das hatte er nicht beabsichtigt! Sein Plan war gewesen, mit der Zerstörung der Schaltstation nicht nur die beiden Fremden zu töten, sondern auch Crom Harkanvolter zu vernichten. Seine Absicht war gewesen, eine Einigung zwischen den Mom´Serimern und den Fremden zu verhindern und sich zugleich als neuer Lord-Eunuch zu etablieren.
Dabei war ihm egal gewesen, daß er sich über alle Traditionen hinwegsetzte und alle Regularien außer acht ließ, die bei der Amtsübernahme eines Lord-Eunuchen zu berücksichtigen waren. Er war sicher, sich durchsetzen zu können und als Nachfolger Croms unangefochten zu bleiben.
Nun sah es nach einem Untergang für beide Parteien aus.
Der Hantelraumer und seine Insassen waren ihm gleichgültig. Ob sie vernichtet wurden oder nicht, interessierte ihn nicht. Wichtig war nur, daß sie aus Nacht-Acht verschwanden.
Er war in Wirklichkeit gar kein Zyniker! Er wollte nicht mehr und nicht weniger als die Macht über das Volk der Mom´Serimer. Das Leben war außerordentlich kurz, und die Hälfte der ihm zur Verfügung stehenden Zeit war bereits verstrichen. Er wollte den Rest genießen, jeden einzelnen Seg! Dabei war ihm ein verbohrter Idealist wie Aarkum Garventruch nur lästig.
Daram stieß den anderen grob zurück. „Verschwinde!" fuhr er ihn an. „Ich habe keine Lust, mir deinen Unsinn anzuhören."
Er eilte zu einer Schalttafel. In mehreren Holos waren die Fesselfeldgeneratoren zu sehen, die immer noch mit voller Kraft arbeiteten und die SOL buchstäblich an Nacht-Acht heranrissen.
Aarkum Garventruch stürzte sich auf ihn. „Nein!" schrie er. „Das wirst du nicht tun!"
Daram Hassentater fackelte nicht lange. Er holte unter seiner Kleidung eine Klinge hervor, packte Aarkum am Hals und schnitt ihm mit blitzschneller Bewegung die beiden Gehirntentakel ab, die ihm aus dem Kopf ragten und weit über den Rücken herab bis fast zum Boden reichten.
Garventruch erlitt einen tödlichen Schock.
Ungerührt blickte Daram Hassentater auf den Sterbenden hinab.
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