2009 - komplett
Streitross hatten mehr gekostet, als erwartet. Und er würde eine Passage nach Frankreich sowie nach seiner Ankunft Essen und Unterkunft an den Turnierplätzen benötigen.
Zuerst allerdings würde er das Weihnachtsfest mit seinen Patenkindern und der Frau verbringen, für die er immer mehr empfinden würde als für jede andere. Juliana.
Er verstaute das Gold in einem kleinen Lederbeutel, den er für den Ritt nach Byelough in seine Tunika steckte.
Zum letzten Mal erlaubte Ian sich, noch einen Blick in die Halle zu werfen, die er fünf und ein halbes Jahr lang sein Heim genannt hatte. Dunniegray gehörte ihm nicht länger.
Er fragte sich, was das wohl für ein Ritter war, für den Vater Dennis als Bevollmächtigter auftrat. Es wäre ein Mann aus dem Norden Schottlands, der einmal hier zu Besuch gewesen war, hatte der Priester gesagt. Kein anderer hatte für den Ort geboten. Ian hatte den Verkauf erwähnt und bereitwillig das Geschäft abgeschlossen, das der Priester ihm vorschlug. Er hatte ihm die Urkunde übergeben und war froh gewesen, dass er den Handel nicht persönlich hatte abschließen müssen.
Er trat gegen einen Haufen Binsen und betrachtete stirnrunzelnd das verstreute Durcheinander. Kein anderer als nur er selbst hatte ihn überhaupt für fähig gehalten, sich als ein Ritter mit Grundbesitz niederzulassen. In seinen Händen war Dunniegray nichts geworden. Es war ein Junggesellenwohnsitz, in dem keine Ordnung herrschte und keine Anmut Es gab wenig Komfort und kein Einkommen. Dieser große, ungeschlachte Schuppen bot sechs befreundeten Soldaten und ihm Schutz, das war alles. Was wusste er von der Verwaltung eines Landsitzes , wenn jemand es wagen sollte, diesen Ort so zu nennen?
Er kannte nichts als die Schlacht. Sei es die wirkliche Schlacht, wie in Bannockburn oder die gespielte, wie bei den Turnieren, an denen er in den vergangenen Jahren mit seinem Vater teilgenommen hatte. Ian kannte sich wirklich damit aus. Wenn er schon nichts anderes konnte, kämpfen konnte er.
So Gott wollte, würde er in den kommenden Jahren einen großen Batzen Lösegeld und Preise einstecken. Vielleicht würde er auch sterben. Jedenfalls würde keiner darunter leiden, wenn er scheiterte, und so sollte es auch sein.
Der Preis, den er für Dunniegray erhalten hatte, würde dieses neue Wagnis finanzieren. Wichtiger noch – und das war der Grund, warum er den Besitz verkauft hatte –, er würde Juliana glücklich machen. Sie hatte so wehmütig vom Kloster erzählt, das sie ablehnte und was für eine schöne Braut Christi sie abgeben würde.
Mit dem Eintritt ins Kloster würde sie das Richtige tun, darin stimmte er mit ihr überein. Es würde ihr so viel Unabhängigkeit von den Männern geben, wie sie nur immer erhoffen konnte. Und bevor sie dreißig wäre, würde sie sicher bereits Verantwortung tragen. Mutter Juliana. Oder würden sie ihren hübschen Namen ändern?
Der Gedanke, dass ihre Schönheit hinter Klostermauern vergehen würde, weckte einen brennenden Schmerz in seinem Innersten. Er sehnte sich so schrecklich nach ihr, dass er gar nicht darüber nachdenken durfte, sonst würde er sie noch an diesem Tag aus Alans Burg entführen und mit ihr davonreiten.
Aber wohin sollten sie gehen? Er hatte jetzt kein Heim mehr, das er ihr anbieten konnte, ob gut oder schlecht. Er konnte ihr gar nichts geben außer zwei Handvoll Münzen, damit sie ihren Traum verwirklichen konnte. Ihr süßes Lächeln musste ihm als Dank genügen.
Mit einem Fluch packte Ian seinen schweren Mantel, stapfte aus dem Saal, die Treppe hinunter und hinaus zu dem baufälligen Stall, wo ihn sein schönes neues Schlachtross erwartete.
5. KAPITEL
Juliana machte den letzten Stich an der weichen, grauen Wolltunika, die sie für Ian anfertigte. Die scharlachroten Samtbänder an Hals und Ärmeln gaben ihr ein fast königliches Aussehen, wie Juliana zufrieden bemerkte. Sie breitete sie auf dem Bett aus und legte die rote Kappe mit der flotten Fasanenfeder daneben. „Was denkst du?“, fragte sie besorgt.
„Ein würdiges Gewand für einen hübschen Ritter“, versicherte ihr Honoria. „Ian wird großartig darin aussehen! Und was trägst du?“
Juliana tippte mit dem Finger gegen ihre Lippen, als würde sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen. In Wirklichkeit gab es keine Entscheidung zu treffen. Nachdem sie die Kleider an Melior verkauft hatte, besaß sie nur noch einen ganz passablen Surkot, ohne Borten und Stickereien, eilig angefertigt. Ansonsten
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