2009 - komplett
hier leben müssen, wenn Ian fort war. Irgendwie musste sie zu dem gegenüberliegenden Turm kommen, ohne dabei beobachtet zu werden.
Juliana nahm den dunklen, wollenen Umhang vom Haken und wollte ihn sich um die Schultern legen.
Das Klopfen an ihrer Tür überraschte sie. War Ian hierher gekommen? Das würde er sicher nicht tun! Sie beeilte sich, den Riegel zurückzuschieben.
„Oh! Honoria“, sagte sie, als sie sah, wer vor ihr stand. „Ich wollte gerade zu Bett gehen.“
„In deinem Mantel?“, fragte Honoria und blickte mit hochgezogenen Brauen auf den Umhang über Julianas Arm.
Juliana lachte und legte den schweren Mantel auf das Bettende. „Nein, er fiel nur vom Haken, und ich war gerade dabei, ihn wieder aufzuhängen. Möchtest du mit mir sprechen?“, fragte sie in der Hoffnung, Honoria damit von weiteren Fragen abzulenken.
„Ich bringe dir etwas Gewürzwein.“ Honoria trat mit einem Krug in der Hand ein. „Ich weiß, dass du entsetzlich müde sein musst von all deinen Anstrengungen heute. Das hier wird dir helfen zu schlafen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schenkte sie einen Becher voll und gab ihn Juliana.
„Ah, danke. Das kann ich sicher jetzt brauchen.“ In der Tat, wenn sie ihr abenteuerliches Vorhaben durchführen wollte, brauchte sie die falsche Courage und die beruhigende Wirkung, die der Wein ihr bot. Sie würde zwei Wachen umgehen und sich dann einem Mann stellen müssen, der erwartete, dass sie wie eine gemeine Schlampe mit ihren Reizen prahlte. In Gedanken daran stürzte sie den Becher hinunter und streckte ihn Honoria zum Nachfüllen hin.
„Ich sah dich und Ian heute Abend tanzen“, sagte Alans Frau vergnügt, während sie ihr einschenkte. „Er ist recht geschickt, nicht wahr?“
„Ja“, stimmt Juliana ihr zu und wischte sich einen Tropfen von den Lippen. „Der geborene Tänzer.“
„Ich bin glücklich, dass ihr beide gut miteinander auskommt“, fuhr Honoria fort, ging zu dem hohen Bett und lehnte sich dagegen. Den Krug stellte sie auf der Matratze ab. „Ian ist solch ein Schatz. Und er liebt Kinder. Obwohl Alan und er ganz unterschiedlich sind, haben sie doch auch vieles gemeinsam.“
„Es tut mir leid, Honoria, aber ich warne dich. In meinem Herzen hat sich nichts geändert. Es war nur ein Tanz. Es wird keine Heirat geben.“
Honoria schüttelte den Kopf, und ihr Lächeln wirkte nun ein wenig schuldbewusst.
„Ja nun, Alan und ich wünschen ja nur, dass du zufrieden bist, Juliana.“ Sie hob den Krug ein wenig hoch. „Noch mehr?“
„Oh nein. Ich nicke ja jetzt schon ein.“ Juliana blickte zu der Kerze mit den Zeiteinteilungen und sah, dass ihr weniger als eine Viertelstunde blieb, um ihre Verabredung mit Ian einzuhalten. „Wärst du mir schrecklich böse, wenn wir ein anderes Mal darüber reden?“
„Wie du willst.“ Honoria ging ohne Eile zur Tür und drehte sich auf der Schwelle noch einmal um. „Ich wünsche dir eine gute Nacht, Cousine. Warum schläfst du morgen nicht einmal aus? Du hast die letzte Zeit so fleißig gearbeitet. Ich werde dafür sorgen, dass dich niemand stört.“
„Vielen Dank für deine Fürsorglichkeit“, murmelte Juliana. Als sie sah, wie Honoria zum Abschied lächelte, fragte sie sich, ob die Frau von ihrem Plan wusste.
Beunruhigt strich sie sich mit der Hand über die feuchte Stirn. Nein, sie bildete sich das nur ein, weil sie sich schuldig fühlte. Niemand wusste von dem Stelldichein.
Honoria konnte die Unterhaltung nicht belauscht haben, außer sie hatte sich genau unter dem Tisch versteckt, an dem sie gesessen hatten. Allein die Vorstellung, wie die heiter gelassene Lady Honoria auf Händen und Füßen unter dem Podest herumkroch und ihre Gäste belauschte, war einfach zu lächerlich, um sie ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Hastig warf Juliana sich den Mantel über und schlüpfte aus ihrer Kammer und die kurze Wendeltreppe hinauf, die zum Mauergang führte.
„Guten Abend, Mylady.“
Juliana fuhr zusammen. Was machte der Wächter hier außerhalb des Turms? Er trat aus dem Schatten und verbeugte sich linkisch vor ihr. „Wollt Ihr Luft schnappen?
Dafür ist es eine schöne Nacht. Ich bin Davy, erinnert Ihr Euch?“
Sie zog die Kapuze ihres Mantels tiefer in ihr Gesicht. „Oh ja! Davy. Ich dachte, ich mache einen kleinen Spaziergang, weil ich nicht schlafen konnte.“
„Es ist noch früh“, plauderte er und rieb sich die Hände, die in Fäustlingen steckten.
Sein Atem war als weißer Nebel im Mondlicht zu
Weitere Kostenlose Bücher