201 - Die Rachegöttin
eine weite Geste, die das Dorf umfasste. »Über die Hälfte der Bauten stehen leer. Perons und Adoors könnten gemeinsam hier leben. Platz ist genug. Kiras und ich trafen ein Abkommen. Ich helfe ihm, indem ich Marii aus dem Weg räume und ihm die Hälfte des Dorfes überlasse. Er soll uns dafür den Zutritt zur Stejchon gestatten, damit beide Seiten etwas von der Tekknik darin haben. Außerdem will er zwischen mir und Airin vermitteln und sie von ihren Racheplänen abhalten. Er ist bereit, sich für die Adoors einzusetzen, wenn es so weit ist. Es wird vielen Perons schwer fallen, mit uns zusammenzuleben.«
»Weil ihr die schlechte Angewohnheit habt, sie ausbluten zu lassen?« Matt hätte sich am liebsten geohrfeigt. Diplomatie war an diesem Morgen wohl nicht seine Stärke.
Zum Glück blieb Herak ruhig. »Das, Maddrax, ist eine andere Geschichte. Nicht alle Adoors sind wie ich. Sie haben Angst. Doch auch hier hat Kiras eine Lösung. Willst du wirklich wissen, warum wir die Perons ausbluten lassen?«
Matt nickte.
»Dann weck deinen Freund Rulfan, und ich erzähle es euch.«
Matt wollte sich auf den Weg machen, da schwirrte plötzlich eine unterarmgroße Libelle heran. Er griff zum Laserblaster in seinem Oberschenkelholster.
Der Adoor-Anführer winkte ab. »Nicht, Maddrax! Das ist eine Nachricht!« Er streckte seinen linken Arm aus, und das riesige Tier setzte sich auf die gebräunte Haut. Geschickt löste Herak mit der Rechten eine kleine Stoffrolle, die mit roter Farbe dünn beschriftet war. Er rief nach Nao. Der Junge nahm ihm die Rolle ab. Er starrte darauf und schien sich besonders zu konzentrieren. Seine Finger berührten die rote Farbe. War es Blut?
»Was schickt Kiras?«, fragte Herak ungeduldig.
Der Junge hob den Kopf. Sein Blick war seltsam leer.
»Marii greift an. Sie will das linke Nebentor nehmen. Wenn das Meer wiederkehrt, wird sie hier sein. Vielleicht eher. Sie ist auf dem Weg. Mit allen Perons.«
»Mit allen Perons?« Herak machte ein Schutzzeichen in die Luft. »Wir müssen uns vorbereiten.« Er sah Hilfe suchend auf Maddrax. »Ich möchte nicht, dass es zu einer Auslöschung unserer Völker kommt.«
Maddrax nickte. »Ich hole Rulfan, dann setzen wir uns zusammen. Es muss einen Weg geben, der möglichst wenige Menschenleben kostet.«
***
Airin hatte ein schlechtes Gefühl. Der Verlust einiger Krieger war zu verschmerzen, doch Marii hatte alle losgescheucht, die laufen konnten. Entsprechend langsam kamen sie voran, auch wenn Marii sie zur Eile trieb.
Wer ist diese Frau, die ich über zwanzig Jahre liebte wie eine Mutter? Mit jedem Schritt auf den Paak zu fühlte sich Airin verwirrter und einsamer. Hatte ihnen Maddrax zu Recht den Rücken gekehrt? Wäre es falsch gewesen, den Jungen zu töten? War alles falsch, was sie tat?
Wie hatte Marii nur denken können, sie habe sich gegen sie aufgelehnt? Niemals hatte Airin einen Zweifel an ihrer Treue gelassen. Immer hatte die Uneskaa bekommen, was sie wollte.
Ganz gleich ob es der größte Teil der Jagdbeute war oder die Aufgabe ihrer Beziehung zu Kiras. Bedingungslos war Airin in ihrer Hingabe gewesen. Und nun das. Noch immer schmerzte ihr Kiefer und sie hatte stechende Kopfschmerzen.
Sie marschierten durch den Wald. Zwei Termiiten begegneten ihnen, lang wie Dingoos. Airin war dankbar für die Ablenkung. Gemeinsam mit ihren Kriegern tötete sie die Tiere.
Es wurde niemand verletzt.
Als sie die Klinge tief in den Leib einer Termiite stieß, war ihr, als würde sie gegen sich selbst kämpfen. Ihr Inneres blutete. Sie sah zu Marii hinüber. Die Uneskaa würdigte sie keines Blickes. So schnell konnte man also in ihrer Gunst fallen. Gestern noch hatte Marii die Hantaa gelobt und Maddrax erzählt, wie viel man ihr zu verdanken habe.
Es gab einen Gedanken, der noch grausamer war als der plötzliche Verlust von Mariis Vertrauen: der Gedanke, dass Kiras Recht haben könnte. Ja, er war ein Verräter. Vermutlich befand er sich mit seinen Leuten längst auf der Flucht. Aber was, wenn er die Wahrheit gesagt hatte? Wenn Marii wirklich an ihrer Unfruchtbarkeit Schuld war?
Kinder bedeuteten den Perons Leben. Eine Mutter war höher angesehen als jeder Krieger. Sie hätte gerne ein Kind zur Welt gebracht, auch wenn es Schmerzen bedeutete. Es gab nichts Schöneres, als diese kleinen Wesen auf den Armen zu halten und sie zu betrachten.
Airin umklammerte ihre Feuerwaffe. War Marii so weit gegangen? Hatte sie ihr die Fruchtbarkeit geraubt? Aber warum?
Ihr
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