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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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vier Sechserpackungen Shasta Tamarindo, fünf Tüten De La Rosa Malvaviscos – also Marshmallows –, fünf große Kerzen und einen Karton 555-Zigaretten, alles in einer braunen echten Papiertüte wie früher. Ich kehrte auf die Straße zurück und durchquerte eine kleine Tür an der Südseite der Iglesia de San Francisco. Die Fassade und der Großteil des Mittelschiffs waren 1694 errichtet worden, doch die Kirche war kürzlich – wahrscheinlich zum hundertsten Mal – neu gestrichen worden, und es sah aus, als wäre ihr eine neue Schicht Birkenrinde gewachsen. Drinnen herrschte der typische kühle, steinige Geruch nach Myrrhe und Wachs vor, und ehe ich mich versah, hatte ich die Hand in ein Becken gesenkt und bekreuzigte mich über dem Herzen. Und hoffte zu sterben. My name’s Jesus, Son o’ God, take and suck, this is my cod. Peace!
    Padre Manuda stand noch immer am Altar und probierte ein neues Lautsprechersystem aus – von unserem Geld gekauft, vermutete ich –, aber er hatte den Hauptverstärker zu dicht unter dem Hängemikrofon aufgestellt, und bei jedem hohen Ton nahm es den Widerhall von den rosa getünchten Wänden auf. Er sah mich nicht an. Ich ging an einem Paar alter Nonnen mit Schwesternhauben und großen weißen Lätzen vorbei, zwei der wenigen verbliebenen Mitglieder der einstmals zahlreichen Schwesternschaft der Klarissen. Nach allem, was mir zu Ohren gekommen war, hatte der Orden sich in den letzten paar hundert Jahren beinahe selber ruiniert, indem er auf der Armutsregelbeharrte. Angeblich waren sie ziemlich hart; die Nonnen verbrachten die ganze Zeit damit, nicht zu reden, auf Steinfußböden zu knien, Haferschleim zu essen und einander mit Fäusten zu prügeln. Die einzigen anderen Andächtigen waren zwei alte Tzotzil-Frauen mit Wollschals und dreifach gewobenen huipiles , blütenweiß und mit grünen und roten Kröten- und Erdherrn-Mustern bestickt. Werktagskleidung. Vier magere Tauben flatterten unter dem Gewölbe umher.
    Ich ging das Mittelschiff entlang zum zweiten Querschiff und blieb vor einem neueren Altarbild stehen, der heiligen Teresa von Avila gewidmet, eine Schutzpatronin des Opferspiels. Sie ist auch die Schutzheilige des Schachspiels und der Kopfschmerzen, also muss sie ziemlich beschäftigt sein. Ich drückte eine Kerze auf einen Dorn, zündete sie mit No Ways Zippo an und schob die vier benachbarten Kerzen zur Seite. Dann wandte ich mich dem rechten Querschiff zu und ging in eine kleine Seitenkapelle.
    Den Raum nahm ein cremefarbener krakelierter Sarg ein, dessen Deckel zwar geschlossen war, der aber Fenster in den Seiten hatte: »El mero ataúd della santísima Abadesa Soledad« , wie der Priester es ausgedrückt hatte, »dies ist der Sarg der gesegneten Äbtissin Soledad.« Wie sich herausstellte, war sie eine Art inoffizielle örtliche Heilige. Nur wir beide waren hier. Ich kauerte mich nieder, und obwohl ich seit meiner Zeit bei den Barmherzigen Schwestern echte Probleme mit Nonnen hatte, musste ich mich dem Verlangen widersetzen, mich hinzuknien. Das Glas der Fensterscheiben hatte sich im Laufe der Jahrhunderte gesetzt, aber man konnte noch immer ein kleines, totenschädelartiges Haupt sehen, das an den Kopf eines Fünfjährigen erinnerte, in ein Netz aus Opus-araneum-Spitze gehüllt, mit nussbrauner Haut wie Strudelteig, der von den vorstehenden grauen Zähnen zurückwich. Mir marschierte der Gedanke, es doch lieber sein zu lassen, kreuz und quer durch den Kopf, aber ich wendete den »Ist doch scheißegal«-Trick an und überwand meine Bedenken. Dazu wiederholt man ständig vor sich selbst: »Ist doch scheißegal, die Welt ist eh zum Kotzen«, und zwar mit Überzeugung. Man braucht nicht einmal eine besondere Atemtechnik zu beherrschen.
    Ich verließ die Seitenkapelle, umging das Geländer des Altarraumsund stieg an der anderen Seite, hinter dem Altar, nach oben. Du bist wirklich albern, dachte ich. Sie werden dich nicht reinzulegen versuchen. Wozu die Mühe? Und dann noch so kompliziert. Trotzdem konnte es nicht schaden, ganz sicherzugehen. Es ist sowieso nur eine Trockenübung, dachte ich. Kontrollierte Bedingungen, keine große Sache. Hab keine Angst. Guarde sus pantalones.
    Okay.
    Am Ende des südlichen Querschiffs war eine kleine Stahltür, und als gehörte mir der ganze Laden, öffnete ich sie und ging in das alte Refektorium. Am anderen Ende befand sich ein Hof, und auf dessen anderer Seite ein Gebäudeflügel, der einmal der Convento de la Orden de las Damas

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