2012 – Das Ende aller Zeiten
konzentriere mich nicht genug, sagte er. Aber ich war ein Teenager, wie sollte ich mich überhaupt konzentrieren?
Jedenfalls, fünf Jahre später, als ich in Yale wieder mit Taro zusammenzuarbeiten begann, hatte er die Isolationsexperimente aufgegeben und sich wieder dem Versuch zugewandt, die ursprüngliche Anordnung des Spielbretts zu entschlüsseln. Als ich ihn erneut verließ, benutzten wir zwei Läufer und spielten auf einem Brett, das besser funktionierte, aber er bezweifelte noch immer, dass es das ursprüngliche Spielbrett war. Es machte das Spiel flexibler, aber auch leichter zu spielen, obwohl es komplizierter war als das Brett meiner Mutter:
Dann kam es wegen einer dummen Sache zum Bruch mit Taro. Ich hatte gedacht, meine Studiengebühren würden von der Berlencamp-Stiftung bezahlt und dass Taro seine Forschungen aus seinem Etat in Yale finanzierte, doch wie sich herausstellte, kam das Geld von FARMS , den gleichen Verrückten, für die er in Provo gearbeitet hatte. Ich wusste schon eine Weile, dass die Foundation ein mormonischer Möchtegern-Thinktank war, der sich unter anderem der Aufgabe verschrieben hatte, zu beweisen, dass die Indianer Amerikas die Nachkommen von Josephs Stamm waren. Als ich meine zornige Phase hatte und der Pan-Maya-Koalition anhing, störte mich das, und ich machte Taro deswegen die Hölle heiß. Manchen Leuten kann man es einfach nicht recht machen, nicht wahr? Wie undankbar ich war. Bin. Wie auch immer – Taro sagte, FARMS sei nicht einmal der ursprüngliche Geldgeber; tatsächlich stamme das Konto dort von den gleichen Leuten, die seine Arbeit finanzierten. Er dürfe mir nicht sagen, wer das war. Das brachte mich noch mehr auf die Palme, und ich ließ ihn stehen. Bestenfalls ist das Ganze rein kommerziell, sagte ich mir, ein Haufen käuflicher Wirtschaftswissenschaftler, die nach Möglichkeiten suchten, den Markt zu schröpfen.
Noch andere Veränderungen traten ein. Ehe Taro Utah verließ, hatte er mich mit einer Gruppe an der Universität von Texas zusammengebracht, die an Therapien für bestimmte Störungen des emotionalen Affekts arbeitete, an denen ich angeblich litt. Er sorgte dafür, dass ich ins Programm aufgenommen wurde, nicht in die Kontrollgruppe kam und die volle Behandlung erhielt. Als ich meinen Abschluss (fast) gemacht und mich aus New Haven verabschiedet hatte, konnte ich tatsächlich so etwas wie echte Gefühle empfinden. Ich lernte völlig neue Dinge über Menschen. Zum ersten Mal erhielt ich Einblick in das Geheimnis der Gesichtsausdrücke und ihrer Bedeutung und bekam eine Ahnung davon, wie Menschen versuchen, ihre Gefühle zu verbergen oder welche vorzutäuschen, die sie nicht haben. Eine ganze Schattenwelt zwischenmenschlicher Interaktion, voller Verstellung und Masken, Hintersinn und Lügen. Ich wurde mir meines persönlichen Auftretens bewusst, oder besser: Ich lernte, dass ich ein persönliches Auftreten besaß . Ich nahm dreißig Pfund ab und hielt mein neues Gewicht. Ich las ein Buch namens Mädchenaufreißen für Dummies . Ich machte 182520 Bauchcrunchs. Ich zog auf die Grand Avenue in Los Angeles. Ich riss ein paar Mädchen für Dummies auf. Ich beschloss, Ornithologe zu werden. Ich benutzte das Spiel, um Anlagemöglichkeiten zu finden. Von Anfang an verdiente ich Geld, aber vielleicht hatte ich nur Glück. Jedenfalls hatte ich eine gewisse Motivation, denn damals kosteten die vorbeugenden Behandlungen gegen Hämophilie A etwa dreihunderttausend Dollar im Jahr, doch ohne diese Behandlungen verbringt man seine ganze Zeit damit, sich Sorgen zu machen, man könnte sich einen blauen Fleck holen oder schneiden und dürfte dann die Löcher zuhalten wie Super Mario. Ich gab die Ornithologie wieder auf, als ich herausfand, dass man eigentlich schon alles wusste, was es über Vögel zu wissen gibt. Ich beschloss, Profischachspieler zu werden, und arbeitete mich zu einer Elo-Zahl von 2380 hoch. Am 11. Mai 1997, als Kasparow von Deep Blue besiegt wurde, gab ich die Idee wieder auf. Welchen Sinn hatte es noch? Es war, als wäre man eine Dial-A-Matic-Addiermaschine. Ich beschloss, nach Seoul zu gehen und dort Profi-Go-Spieler zu werden. Ich lernte ein wenig Koreanisch. Dann stellte sich heraus, dass man ein bisschen Chinesisch können musste,um Koreanisch zu lernen, also lernte ich ein bisschen Chinesisch. Die Idee, Profi-Go-Spieler zu werden, gab ich wieder auf, weil ich feststellen musste, dass man in Asien keine empanadas de achiote bekam. Ich entschied
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