2012 – Das Ende aller Zeiten
ablegen müssen.
Eine andere, komplettere Version des Opferspiels fand ich nie.Meine geheimen Nachforschungen brachten mich jedoch in solche Schwierigkeiten, dass noch 2011 die Nationalpolizei mit Haftbefehl nach mir suchte. García-Torres war – typisch guatemaltekisch – noch immer in der Armee und mittlerweile zum General aufgestiegen. No Way und ich erstellten ein Profil von ihm – worin seine Gewohnheiten bestanden, wie die Grundrisse seiner diversen Häuser aussahen, zu welchen Hahnenkampfarenen er wann ging, wo seine Leibwächter wohnten, eben alles. Aber ich hatte wohl keine besonders gute Arbeit geleistet, denn eines Nachts schlich sich No Way – der einen Kojoten als Uay hatte und sich daher lautlos durch die Dunkelheit bewegte – zur Hintertür herein und sagte, er habe gehört, die G 2 sei mir auf den Fersen. Ich hätte die Wahl, fuhr er fort, entweder vor Morgengrauen zu verschwinden, oder man würde dafür sorgen, dass ich verschwand. Ich verschwand von allein.
Ich zog nach Indiantown, einer Siedlung von Maya-Emigranten am Okeechobee-See, ungefähr fünfunddreißig Kilometer landeinwärts von Floridas Atlantikküste.
In Florida hatte sich herumgesprochen, dass ich gute Ergebnisse mit dem Opferspiel erzielte, und ich kam nicht darum herum, ein paar Klienten anzunehmen. Allerdings könnte ich niemals ein wirklich großer Gemeinde-Sonnenaddierer werden. Ein Problem ist, dass ein Addierer – zumindest in einem herkömmlichen Dorf – viel trinken muss, und Alkohol hat meinen Schmerz noch nie zu lindern vermocht. Soweit es mich betrifft, ist C 2 H 5 OH eine Droge für Arme, egal, wie sehr man sie aufpeppt. Ein anderes Problem ist der Umstand, dass ein wichtiger Teil der Kunst darin besteht, einfach ein guter Zuhörer zu sein, eine unerbittlich traditionalistische Stütze der Gemeinde, ein Hort der lokalen Überlieferung. Wo bleibt da der Spaß? Außerdem sollte man ein intuitiver Psychiater sein, jemand, der mit Menschen umgehen kann. Und die meisten Addierer bedienen sich offen gesagt auch einer Menge Gaunerei – Cold Reading, heimliche Nachforschungen, Strohmann-Geschäfte, sogar Taschenspielertricks.
Darüber hinaus könnte ich das Religiöse nicht überzeugend darbieten, und ich würde mich sogar hassen, wenn ich die Leute hinters Licht führen müsste wie irgend so ein Möchtegern-Medium im Fernsehen.Es deprimiert mich zu sehr, wenn ich sehe, wie verzweifelt und leichtgläubig die Menschen sind. Mir ist mehr als einmal gesagt worden, ich sei zu empfindlich, was diese Addierer-Geschichte angeht, weil es sich anhöre, als könne es eine Betrugsmasche sein. Wenn man Umfragen zu den am meisten und am wenigsten bewunderten Berufen macht, taucht Wahrsager gewöhnlich an zweitletzter Stelle auf, knapp über den Televerkäufern.
Was die persönliche Frage aufwirft: Wenn er tun kann, was er sagt, warum ist Jed dann nicht reich?
Nun, die Antwort darauf ist simpel: Ich bin tatsächlich reich.
(3)
Ich hasse meine Autobiografie. Wer mag schon Autobiografien? Autobiografien sind das zweitwiderlichste Genre der Literatur, übertroffen nur noch von Haikus auf Englisch. Als ich das letzte Mal in eine richtige Buchhandlung ging – eigentlich wollte ich nur einen Cannabispresso trinken –, habe ich die Autobiografie Ava Gardners in die Hand genommen, während ich wartete. Der erste Satz lautete: In Johnston County, North Carolina, war es unvorstellbar, ein Farmer gleich welcher Art zu sein, wenn man kein Maultier besaß. So was … also wirklich, Ava. Ein süßer Satz, aber ganz ehrlich: Wenn du nicht spätestens am Ende dieser Seite mit Howard Hughes, Frank Sinatra, Johnny Stompanato, Artie Shaw, Mickey Rooney oder einer beliebigen Kombination der Vorgenannten im Bett liegst – oder nicht auf einen Vergleich zwischen dem Geschlechtsteil des Maultiers und dem Franks hinarbeitest –, nimmt dein Buch geradewegs Kurs auf den Ramschtisch. Autobiografien sind alle gleich; das Credo lautet immer: Okay, da ich ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erregt habe, werde ich Sie nun mit allem behelligen, was ich je erlebt habe, auch wenn 99 und 44 / 100 Prozent davon genau die gleiche basura sind, wie sie jedem anderen auch passiert. Wenn Sie hier also irgendwas mitnehmen, sollte es nichts mit mir zu tun haben, auch wenn ich dabei eine kleine Rolle spiele. Aber um mich geht es hier nicht. Es geht nur um das Spiel.
Ach ja, richtig. Wir wollten ja – wenigstens kurz – die Verwendung des Opferspiels
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